„The Day After Is Now“ – Fünf Jahre Abraham-Abkommen zwischen Krise und Aufbruch

„The day after is now!“ – vorsichtiger Optimismus angesichts der jüngsten Entwicklungen im Hamas-Israel-Krieg prägte die Diskussionen beim hochrangig besetzten Roundtable „The Abraham Accords Five Years On: Assessment, Perspectives, Impulses“, zu dem ELNET und das Abraham Accords Institute am 16. Oktober in Berlin luden.

Die Abraham-Abkommen, in deren Rahmen eine Reihe arabischer Staaten und Israel ihre Beziehungen zueinander normalisierten, markieren einen Meilenstein für Frieden und Stabilität im Nahen Osten. Mit dem 7. Oktober 2023 wurden diese Errungenschaften ihrer bislang größten Bewährungsprobe ausgesetzt. Doch die Vereinbarungen hielten stand. Um es mit den Worten einer Teilnehmerin zu sagen: „We are not starting over; we are moving forward!“

In ihren Keynotes schlugen Sharren Haskel, stellvertretende Außenministerin des Staates Israel, Florian Hahn MdB, Staatsminister im Auswärtigen Amt, sowie Armin Laschet MdB, Gründer des Abraham Accords Institute Germany und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, die Brücke von den aktuellen Entwicklungen rund um Trumps Nahost-Friedensplan hin zu Perspektiven auf die Abraham-Abkommen fünf Jahre nach den ersten Unterzeichnungen.

Auf die impulsgebenden Keynotes folgte ein offener und lebendiger Austausch: Die Veranstaltung brachte Stimmen aus Europa und der MENA-Region zusammen – darunter neben Regierungs- und Parlamentsmitgliedern auch Vertreterinnen und Vertreter aus Think Tanks, Nichtregierungsorganisationen und Universitäten. Im Rahmen der Veranstaltung wurde zudem die neue ELNET-Broschüre „Fünf Jahre Abraham-Abkommen: Fortschritte & Perspektiven“ vorgestellt.

In Session 1 – „Leveraging Normalization: The day after in Gaza and a new security infrastructure for the Middle East“ – diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer , welche Rolle die Unterzeichnerstaaten der Abraham Accords künftig für Gaza spielen können. Sie erörterten, ob eine Erweiterung der Normalisierung zwischen Israel und der arabischen Welt mit konkretem Fortschritt im israelisch-palästinensischen Prozess verknüpft werden kann, um langfristig Stabilität im Nahen Osten zu schaffen. Mehrere Teilnehmende betonten die Bedeutung verstärkter zwischenmenschlicher Kontakte und Bildungsinitiativen, um Radikalisierung entgegenzuwirken und langfristig mehr Akzeptanz in der Bevölkerung der Unterzeichner zu schaffen. Auch die Notwendigkeit eines kontinuierlichen interreligiösen Dialogs wurde hervorgehoben, um gegenseitiges Verständnis und Vertrauen weiter zu stärken.

In Session 2 – „Towards a Prosperous Middle East: Overcoming Challenges through Cooperation“ – ging es um wirtschaftliche und technologische Perspektiven in der Region trotz der anhaltenden Spannungen. Dabei betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Chancen des India–Middle East–Europe Economic Corridor (IMEEC) – einer geplanten Handels- und Infrastrukturachse, die Indien über die Golfstaaten, Saudi-Arabien, Jordanien und Israel mit Europa verbinden soll. Aus der Teilnehmerrunde kam der Vorschlag, bei damit verbundenen Projekten wie der Elektrifizierung von Eisenbahntrassen Investitionen im Dreieck Jordanien-Israel-Gaza zu forcieren, um so Kooperation und Frieden zu fördern. Es wurde betont, dass solche Ansätze komplementär zu den Plänen der Trump-Administration für Gaza seien, die auf wirtschaftliche Entwicklung, Infrastrukturinvestitionen und regionale Integration als Weg zu langfristigem Frieden setzten. Ebenso sollen Klimaprojekte im Rahmen von IMEEC eine herausgehobene Rolle spielen. Aus dem Kreis der Teilnehmenden wurde hervorgehoben, dass identifizierte Engpässe in den bestehenden Energienetzen der Region zügig behoben werden müssten, um die Umsetzung solcher Projekte effektiv zu ermöglichen.

Nicht nur beim Wiederaufbau von Gaza, sondern auch bei anderen Investitionen im Rahmen von IMEEC wurde immer wieder betont, dass die Kontrolle darüber, wohin Investitionsmittel fließen, eine zentrale Herausforderung sei – insbesondere vor dem Hintergrund des Vorschlags, Syrien künftig stärker in derartige Projekte einzubeziehen.

In einer Schlussbemerkung sagte eine Teilnehmerin: „We may not agree on everything, we may not agree on anything, but we are talking to each other.“ Der Gedanke des offenen Dialogs, der darauf abzielt, eine Brücke zwischen den Perspektiven aus Europa und dem Nahen Osten zu schlagen, prägt die Arbeit von ELNET seit langem. Auch andere Formate, wie das fünfte Europe-Middle East Forum in Abu Dhabi, folgen diesem Ansatz.

Im Gespräch mit der Denkfabrik R21 fasste Carsten Ovens, CEO des European Leadership Network (ELNET) in Berlin, die Gespräche anschließend zusammen: „Deutschland könnte die Abraham Accords durch eigenen Initiativen fördern – auch auf europäischer Ebene. Ein Abraham Accords Sekretariat mit Sitz in Abu Dhabi, Berlin und Brüssel würde den Normalisierungsprozess im Nahen Osten beispielsweise nachhaltig fördern, gerade auch im Interesse Deutschlands und der EU.“