3 Fragen – 3 Antworten mit Andrea Lindholz MdB

Die Interviewreihe „3 Fragen – 3 Antworten“ rückt regelmäßig aktuelle Entwicklungen und Perspektiven der deutsch-israelischen Beziehungen in den Fokus. Als Gesprächspartnerin stand dieses Mal Andrea Lindholz MdB (CDU/CSU-Fraktion) zur Verfügung, Vorsitzende des Ausschusses für Inneres und Heimat im Deutschen Bundestag. Im Interview spricht Sie über die Notwendigkeit Antisemitismus noch gezielter zu bekämpfen, die wachsende Gefahr durch die Hisbollah und darüber was Deutschland von Israel im Bereich der Cybersecurity lernen kann.

ELNET Deutschland: Achtzig Jahre nach der Schoah nimmt Antisemitismus in Deutschland wieder zu. Auch die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten steigt. Wie kann diesen Entwicklungen politisch und gesellschaftlich entgegengesteuert werden?

Andrea Lindholz MdB: Die Bekämpfung von Antisemitismus steht seit einigen Jahren verstärkt im Fokus. Wir haben vieles umgesetzt, wie zum Beispiel die Berufung des Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, der Maßnahmen koordiniert und Impulse setzt. Die zunehmenden antisemitischen Tendenzen in unserer Gesellschaft zeigen jedoch, dass noch viel zu tun bleibt, um dem Gift des Antisemitismus effektiver entgegenzuwirken. Dies hat der Anschlag in Halle erschreckend deutlich gezeigt. Der Bund und die für Gefahrenabwehr primär zuständigen Länder müssen die Bedrohungslage gerade auch an besonderen Feiertagen zuverlässig im Blick haben.

Politisch müssen wir die richtigen Impulse setzen. Vor allem müssen wir entschlossen gegen Rechtsextremismus vorgehen. Antisemitismus hat heute viele Gesichter, die wir alle im Blick haben müssen. Antisemitische Straftaten müssen systematisch identifiziert und härter verfolgt werden. So setzen wir als Gesellschaft ein klares Zeichen gegen jede Form von Antisemitismus. Einsatzkräfte aber auch Staatsanwälte müssen bereits in ihrer Ausbildung für Antisemitismus sensibilisiert werden und frühzeitig lernen, antisemitische Motive zu erkennen. Nur so bekommen wir ein genaues Lagebild, das Grundvoraussetzung für wirksame Gegenmaßnahmen ist.

Eine weitere Herausforderung ist der Antisemitismus im Netz. Auch im virtuellen Raum dürfen antisemitische Beiträge und Kommentare keinen Platz haben. Straftaten müssen gemeldet und verfolgt werden. Die Politik muss dazu die großen Internetplattformen noch stärker in die Pflicht nehmen. Hier haben wir mit dem NetzDG und anderen Gesetzen bereits wichtige rechtliche Grundlagen geschaffen.

Auf gesellschaftlicher Ebene ist es wichtig, jüdisches Leben in Deutschland wertzuschätzen und darüber aufzuklären. Mir haben junge Jüdinnen und Juden erzählt, dass sie sich wünschen, nicht ständig als Opfer, sondern als selbstbewusster und optimistischer Teil der deutschen Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Das ist genau der richtige Ansatz. Wir brauchen einen ständigen und vor allem positiven Austausch, auch um Vorurteile kontinuierlich und systematisch zu entkräften.

ELNET Deutschland: Im Jahre 2020 verabschiedete die Bundesregierung ein Gesetz, das sämtliche Aktivitäten der Hisbollah auf deutschem Boden verbietet. Wie bewerten Sie diese Entscheidung und welche weiteren Konsequenzen sollten folgen?

Andrea Lindholz MdB: Die Entscheidung der Bundesregierung war richtig, basierte aber auf einer Initiative aus der Mitte des Deutschen Bundestages. 2019 hatten die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP gemeinsam einen Antrag beschlossen, mit dem die Bundesregierung zu diesem Verbot aufgefordert wurde. Lange unterschied man zwischen dem politischen und militärischen Arm der Hisbollah. Diese Differenzierung hatte hauptsächlich diplomatische Gründe. Nicht einmal die Hisbollah selbst macht diese Unterscheidung.

Ein generelles Verbot der Hisbollah wäre auch auf europäischer Ebene wünschenswert und würde ein wichtiges innen- und außenpolitischen Signal senden. Europa sollte hier mit einer Stimme sprechen. Ein europaweites Hisbollah-Verbot würde außerdem erheblich dazu beitragen, die Situation im Südlibanon zu stabilisieren. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten sich dabei eng mit Israel abstimmen, einer der wichtigsten Verbündeten der EU im Nahen Osten.

ELNET Deutschland: Das Thema Cybersecurity wurde in Deutschland lange ignoriert. Israel hingegen ist in dem Bereich führend. Kann Deutschland hier von Israel lernen? 

Andrea Lindholz MdB: Deutschland hat das Thema lange vernachlässigt, ist jetzt jedoch aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Ich erinnere hier zum Beispiel an die Zerschlagung der gefährlichen weltweit aktiven Schadsoftware Emotet durch das BKA in Zusammenarbeit mit Europol. Auch unser Verfassungsschutz meldet vermehrt Angriffe auf unsere kritische Infrastruktur wie Verwaltung, Energie, Regierung oder Forschung. Vieles wurde bereits verbessert. Anderes ist in Arbeit wie ganz aktuell das IT-Sicherheitsgesetz 2.0. Eine gute Vernetzung zwischen Politik, Unternehmen und Wissenschaft ist hierfür grundlegend – auch mit Israel. Das betonen auch unsere IT-Experten immer wieder.

Deutschland schaut mit großer Bewunderung nach Israel, das auf dem Gebiet der Cybersecurity wirklich eine Vorreiterreiterrolle einnimmt. Aufgrund seiner besonderen Sicherheitslage beschäftigt sich Israel bereits viel länger und intensiver mit dem Thema. Eine Verknüpfung der Sicherheitsbehörden, der Austausch über Strategien und eine enge Abstimmung kann Deutschland helfen, sich im Falle eines Angriffs besser zu schützen. Von einer engen Vernetzung profitieren beide Länder.