Die sicherheitspolitische Lage Europas ist im Wandel. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 steht die Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit im Mittelpunkt politischer Debatten. Doch wie kann die EU handlungsfähiger werden? Welche Rolle spielen internationale Partner wie Israel? Und wie lässt sich die technologische Innovationskraft Israels in die europäische Sicherheitsarchitektur integrieren?
Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Gespräche, die Matthijs Schüssler, Executive Director von ELNET für die EU & NATO in Brüssel, sowie Carsten Ovens, CEO von ELNET für Deutschland, Österreich und die Schweiz, in der vergangenen Sitzungswoche des Europäischen Parlaments führten. Im Austausch mit Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann MdEP, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, David McAllister MdEP, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten sowie Hildegard Bentele MdEP, Vorsitzende der Israel Delegation im Europäischen Parlament, ging es dabei vor allem um gemeinsame Herausforderungen und Chancen der EU-Israel Beziehungen.
Mit Lukas Mandel MdEP, Vorsitzender des Abraham Accords Netzwerks und seinem österreichischen Kollegen Reinhold Lopatka MdEP, Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel, wurden darüber hinaus die auswärtigen Beziehungen der Europäischen Union in den Nahen Osten sowie die sicherheitspolitischen Chancen der Abraham Accords als stabilisierender Faktor in der Region erörtert.
Europa muss sicherheitspolitisch handlungsfähiger werden
Während einzelne EU-Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben zuletzt deutlich erhöhen – darunter die Niederlande, Polen, Finnland und die baltischen Staaten – bleibt die europäische Verteidigungsstrategie fragmentiert. Die Finanzierung, die Beschaffung gemeinsamer Rüstungsgüter und die Frage, inwiefern nicht-europäische Technologiepartner wie Israel in den europäischen Verteidigungssektor eingebunden werden können, sind weiterhin ungeklärt.
In den Gesprächen mit den Europaabgeordneten wurde deutlich, dass die europäische Verteidigungsindustrie zwingend modernisiert und diversifiziert werden muss – insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Neuausrichtung der US-Politik unter einer neuen Trump-Administration.
Israel als Schlüsselpartner für Europas Sicherheit
Die Gespräche in Straßburg zeigten auch, dass Israel in mehreren Bereichen strategische Mehrwerte für Europa liefern kann: Mit hochentwickelten Systemen in Raketenabwehr (Arrow 3, Iron Dome), Drohnentechnologie, Cybersecurity, elektronischer Kriegsführung und Künstlicher Intelligenz würde Israel einen bedeutenden Beitrag zur technologischen Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten leisten.
Während Frankreich derzeit noch für eine „Buy European“-Strategie eintritt, die nicht-europäische Anbieter weitgehend ausschließen würde, gibt es in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten eine offenere Haltung für eine Kooperation mit zuverlässigen internationalen Partnern.
Der European Defence Fund (EDF) sowie das European Defence Industry Programme (EDIP) sollen ohnehin ausgebaut werden. Über die Einbindung nicht-europäischer Unternehmen wird derzeit noch verhandeln. Dabei bietet auch die Lage der Ukraine neue Chancen für israelische Unternehmen, sich über Kooperationen mit europäischen und ukrainischen Partnern in das EU-Verteidigungssystem zu integrieren.


Was jetzt passieren muss: Empfehlungen für die europäische Politik
Die Gespräche in Straßburg unterstreichen die Notwendigkeit einer entschlossenen politischen Agenda, um Europas Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Dazu kann eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Israel einen entscheidenden Beitrag leisten. Eine pragmatische Öffnung europäischer Verteidigungsprogramme scheint logisch, sodass israelische Erfahrungen und Lösungen in die europäische Sicherheitsarchitektur integriert werden können. Dies gilt insbesondere für technologische Innovationen. Gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) sollten Partnerländer wie Israel einbeziehen, um innovative Lösungen für moderne Bedrohungen zu entwickeln und die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken.
Darüber hinaus sollte die EU ihre sicherheitspolitische Abstimmung mit Israel intensivieren. Ein neuer EU-Israel Action Plan könnte die Kooperation im Verteidigungsbereich weiter festigen und auf eine langfristige, strategische Basis stellen. Parallel dazu sollten regelmäßige sicherheitspolitische Dialoge zwischen der EU, Israel und anderen strategischen Partnern, insbesondere der Ukraine, etabliert werden. Dies würde nicht nur den Wissensaustausch und die technologische Zusammenarbeit fördern, sondern auch die sicherheitspolitische Resilienz Europas insgesamt stärken.
Ein stärkeres europäisches Engagement im Nahen Osten könnte zudem einen essenziellen Beitrag dazu leisten, die Abraham Accords auch sicherheitspolitische auszubauen. Vor dem Hintergrund der unsicheren zukünftigen Ausrichtung der US-Politik sowie einer fortwährenden Instabilität der Region wäre eine solche Nachbarschaftspolitik der EU auch im eigenen Interesse.
Nicht zuletzt könnte Deutschland als Brückenbauer innerhalb der EU eine Schlüsselrolle übernehmen. Während Frankreich auf eine strikte „Buy European“-Strategie setzt, gibt es in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere in Deutschland, eine offenere Haltung gegenüber der Zusammenarbeit mit verlässlichen internationalen Partnern. Die neue Bundesregierung sollte sich aktiv für eine Reform der europäischen Verteidigungsbeschaffungspolitik einsetzen, um sicherzustellen, dass strategische Partner wie Israel nicht ausgeschlossen werden. Ein ausgewogener Ansatz, der europäische Interessen schützt und gleichzeitig internationale Innovationen nutzt, wäre entscheidend, um die Verteidigungsfähigkeit der EU nachhaltig zu stärken.
Europas Sicherheit gemeinsam mit Israel gestalten
Die geopolitischen Herausforderungen machen eine Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit unerlässlich. Die Gespräche in Straßburg haben gezeigt, dass die EU mehr strategische Klarheit braucht, insbesondere in der Frage, wie nicht-europäische Partner wie Israel eingebunden werden können.
ELNET spricht sich weiterhin dafür aus, dass die europäisch-israelische Zusammenarbeit im Bereich Verteidigung zu intensivieren. Jetzt ist die Zeit für mutige Entscheidungen – für eine handlungsfähige EU, die ihre Sicherheit aktiv gestaltet.


