Seit dem Terrorangriff der Hamas am 07. Oktober 2023 sind die Nachrichten aus Israel von Sicherheitsfragen bestimmt. Gerade in solchen Situationen gilt es jedoch für jedes Land, die Wirtschaft am Leben zu halten. Israel hat über Jahrzehnte Erfahrungen mit der Herausforderung sammeln müssen, wie das eigene wirtschaftliche System resilient gestaltet werden kann.
Mitte September besuchte eine Gruppe deutscher Wirtschafts- und Digitalpolitiker im Rahmen einer ELNET-Delegationsreise Israel, um sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Auch Deutschland steht angesichts hybrider Angriffe vor der politischen Herausforderung, die eigene Resilienz zu stärken. Hier kann Deutschland von Israel lernen. Gleichzeitig stand im Fokus der Reise, wie Deutschland seine Solidarität mit Israel auch im wirtschaftlichen Bereich weiterentwickeln kann.
Unter der Leitung von Michael Grosse-Brömer MdB, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, besuchte die Delegation den Norden Israels, tauschte sich mit politischen Entscheidungsträgern aus und nahm Termine mit Wirtschaftsvertretern wahr. Neben Abgeordneten von CDU/CSU waren auch Mitglieder der Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen vertreten. Teile des Delegationsprogramms wurden zudem gemeinsam mit einer ELNET-Delegation aus britischen Parlamentariern und Vertretern führender Think Tanks absolviert.
„Vergesst den Norden nicht“
Ein Schwerpunkt des Programms lag auf der Situation im Norden Israels. Dazu besuchte die Gruppe das direkt an der libanesischen Grenze gelegene Kiryat Schmona – aktuell eine Geisterstadt. Die ursprünglich rund 22.000 Einwohner sind weitgehend evakuiert und in südlicheren Teilen des Landes bei Angehörigen oder in Hotels untergekommen. Bürgermeister Avichai Stern verdeutlichte die Herausforderungen, die dies für die Aufrechterhaltung der Stadtverwaltung mit sich bringt. Bei einem Rundgang durch die Stadt konnten die Abgeordneten Einschläge von Raketen der Hisbollah mit eigenen Augen sehen.
Ein Briefing durch die israelische Feuerwehr führte die Umweltschäden vor Augen, verursacht durch Waldbrände, die wiederum durch Raketeneinschläge der Hisbollah oder herabfallende Trümmer von Abfangraketen entstehen. Ein Briefing durch die israelischen Streitkräfte (IDF) lieferte einen Überblick über die militärische Lage. „Vergesst den Norden nicht“, lautet die klare Botschaft des Besuchs an der Grenze zum Libanon.
Politische Gespräche in Israel
In der Knesset traf die Delegationsgruppe auf MK Dan Ilouz (Likud) und MK Shelly Tal Meron (Yesh Atid). Ilouz erklärte das Vorgehen der IDF im Gazastreifen und bat die versammelten Parlamentarier um ihre Unterstützung im Kampf gegen die Hamas. Nach anfänglicher Unterstützung sei auf europäischer Seite nun zunehmend Zögern zu vernehmen. Shelly Tal Meron sprach ausführlich über die 101 verbliebenen Geiseln im Gazastreifen. Nur ein zeitnaher Deal mit der Hamas – so schmerzhaft dieser auch sei – könne ihr Leben retten. Der Regierung Netanjahu warf sie vor, das Versprechen zu brechen, welches der Staat Israel all seinen Bürgern gebe: Für ihre Sicherheit zu sorgen und im Falle einer Entführung alles zu tun, um sie so schnell wie möglich nach Hause zu holen.
Im Rahmen des Delegationsprogramms tauschten sich die Delegationsmitglieder auch mit MK Gideon Sa’ar aus, dem Vorsitzenden der Partei Neue Hoffnung. Dabei kamen mögliche Szenarien für den Norden des Landes ebenso zur Sprache wie das Schicksal der Geiseln und die Rolle des Iran. Botschafter Steffen Seibert erläuterte im Austausch mit der Delegation die aktuellen Entwicklungen aus Sicht der Deutschen Botschaft und sprach über seine persönlichen Erfahrungen vor Ort.
Die israelische Wirtschaft bleibt stark
Im Gespräch mit Ofir Kariv, Referatsleiter für Wirtschaft im israelischen Außenministerium, ging es um die wirtschaftlichen Folgen des 07. Oktober und des andauernden Hamas-Israel-Krieges sowie der angespannten Lage im Norden des Landes. Auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel kamen zur Sprache. Diese hätten sich trotz der Schwierigkeiten stabil entwickelt.
Ari Strausberg, Vice President und Chief of Staff von Startup Nation Central (SNC), verdeutlichte im Gespräch mit der Delegation, wie israelische Startups der wirtschaftlichen Krise trotzen. SNC ist ein langjähriger Partner von ELNET. Bei Konnect, dem Innovation Hub der Volkswagengruppe in Tel Aviv, konnten sich die Delegationsteilnehmer ein Bild davon machen, wie deutsche Unternehmen von einer engen Zusammenarbeit mit israelischen Startups profitieren. So findet beispielsweise israelische Sensorentechnik in der VW-Software Cariad Anwendung. Dr. Ron Tomer, Präsident der israelischen Manufacturers‘ Association, beschrieb eindrücklich die wirtschaftlichen Folgen der Evakuierung großer Teile Nordisraels. Dies sei auf die Dauer für keine Volkswirtschaft ein hinnehmbarer Zustand.
Bei einem Besuch des Gesundheitsministerium erhielten die Teilnehmer zudem einen Einblick in das innovative israelische Gesundheitssystem und seinen Umgang mit Krisensituationen. Mit dem German Israeli Health Forum for Artificial Intelligence (GIHF-AI) fördert ELNET bereits seit 2021 den Austausch zu Fragen der Digitalisierung des Gesundheitswesens zwischen beiden Ländern.
Im Rahmen eines abschließenden Besuchs der Deutsch-Israelischen Außenhandelskammer stellten schließlich israelische Startups den Abgeordneten ihre Unternehmen vor. Dabei wurde auch in der aktuellen Ausnahmesituation und Bedrohungslage Israels deutlich: Israel ist weiterhin „Open for Business“.