Am 15. September 2022 jährt sich zum zweiten Mal die Unterzeichnung der Abraham-Abkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und Bahrein. Später folgten Abkommen mit Marokko und dem Sudan. Zunächst hatte keiner vermutet, dass sie eine Dynamik entfalten würden, wie es seit den Oslo-Verträgen 1993 und späteren Verhandlungen in Camp David 2000 wohl keinen anderen Vereinbarungen zwischen Israel und seinen Nachbarn gelungen ist.
Die Abkommen selbst sind sehr simpel gehalten. Dennoch stellen sie einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel gegenüber der Nahostpolitik der letzten Jahrzehnte dar. Sie erlauben eine Normalisierung der Beziehungen Israels zu seinen Nachbarstaaten, ohne dass hierfür die Gründung eines palästinensischen Staates und der Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten verlangt wird.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Palästinenser die Abkommen bisher scharf ablehnen und sich als Verlierer des Prozesses sehen. Dies mag auch der Grund sein, warum die EU die Abkommen sehr zurückhaltend kommentierte und bis dato keinen eigenen Zugang zu dem Prozess gefunden hat. Betrachtet man aber die Abkommen sowie die zahlreichen Folgevereinbarungen, so haben diese das Potential, die Beziehungen zu einer echten strategischen Partnerschaft zwischen den sunnitischen Staaten der Region und Israel zu entwickeln.
Deutschland und die EU müssen sich angesichts dieser Dynamik endlich den veränderten Realitäten in Nahost stellen. Die Abraham Abkommen bieten eine Chance für eine strategische Neuorientierung im Nahen Osten auch hinsichtlich des israelisch-palästinensischen Konflikts. Dazu braucht es mehr Offenheit, um alternative Wege zu gehen, aber auch um alte überkommene Konzepte wie die Zwei-Staaten-Lösung zu überdenken. Sie müssen vom Zaungast wieder zum Akteur werden.
Im neuen ELNET Policy Briefing analysiert Kerstin Müller, Senior Associate Fellow bei der DGAP und Beiratsmitglied von ELNET Deutschland, wie Europa die geopolitischen Veränderungen im Nahen Osten positiv unterstützen und zum Frieden in der Region beitragen kann.
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