Deutsche wünschen sich eine größere Vermittlerrolle im Nahen Osten

Die deutsch-israelischen Beziehungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer engen Freundschaft zweier Nationen entwickelt. Auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) diskutierte nun ein Expertenpanel in Berlin die Ergebnisse einer neu veröffentlichten Studie zu deutsch-israelischen Meinungsbildern.

Die Repräsentativumfrage des European Forums der Hebräischen Universität Jerusalem (HU) und des Israelbüros der HSS befragte Deutsche und Israelis zu Ihrer Wahrnehmung voneinander. Besonders positiv stach heraus, dass die deutsch-israelisch Freundschaft über die Jahre gewachsen ist. Über 70 Prozent der Israelis empfinden die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel heute als normal. Auf der deutschen Seite sind es immerhin 54 Prozent. Eine zentrale Rolle für die Zukunft der bilateralen Beziehungen kommt auch der neuen Bundesregierung zu. Eine Mehrheit der Befragten geht in beiden Ländern davon aus, dass die Politik der Ära Merkel insbesondere mit Blick auf die Staatsräson fortgesetzt wird. 

Auffällig ist, dass die Bruchlinien in beiden Ländern sehr unterschiedlich verlaufen. In Israel ist sowohl die ethnische Zugehörigkeit (jüdisch/arabisch) als auch der Grad an Religiosität ein bestimmender Faktor. In Deutschland zeigen sich dagegen starke Meinungsunterschiede abhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft (Ost/West, Migrationshintergrund).

Bemerkenswert ist außerdem, dass über der Hälfte der deutschen Bevölkerung Antisemitismus als Problem in Deutschland anerkennt. Dabei stimmen gleichzeitig 66 Prozent der Aussage zu, dass Israel kritisiert werden kann, ohne dass dies antisemitisch sei. Auch Israelis sehen Kritik an Israels nicht unbedingt als judenfeindlich an, weisen jedoch auf mögliche Verbindungen zum Antisemitismus hin. 

In Zukunft steht daher insbesondere die deutsche Politik vor der Aufgabe, den Unterschied zwischen differenzierter Kritik und israelbezogenem Antisemitismus klar und verständlich zu vermitteln. Dazu stellte Carsten Ovens, Executive Director von ELNET in Deutschland, im Rahmen des Expertenpanels fest:

„Wer Israel dämonisiert, delegitimiert oder mit doppelten Standards arbeitet, hat den Rahmen zulässiger Kritik verlassen. Die IHRA-Definition für Antisemitismus bietet hier eine gute Richtlinie und wurde daher zu Recht von Bundestag und Bundesregierung als Maßstab angenommen.“

Carsten Ovens, Executive Director ELNET Deutschland

In diesem Kontext hatte ELNET jüngst die Broschüre Words Matter mit Handlungsempfehlungen gegen antisemitische Hate Speech veröffentlicht. 

Die Umfrage spiegelt in beiden Ländern zudem den Wunsch nach einer größeren Rolle Deutschlands als Vermittler im Nahen Osten wider. Dies bestätigen auch das Ergebnis der Israel-Umfrage, die ELNET im Herbst 2020 unter Abgeordneten des deutschen Bundestages durchführte. Das Abraham-Abkommen zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, dem Sudan und Marokko bietet zudem eine historische Chance. Deutschland sollte das Momentum auch im eigenen Interesse nutzen und die Annäherung Israels und der arabischen Welt aktiv mitgestalten. Das Handbuch Perspektive Israel (3. Auflage) stellt dazu verschiede Ansätze und Möglichkeiten vor.

Eine enge Beziehung zwischen Deutschen und Israelis ist alles andere als selbstverständlich. Die nächsten Jahre werden dabei besonders herausfordernd. Denn mit immer weniger noch lebenden Zeitzeugen, muss die Erinnerungskultur in Deutschland neu gedacht werden. Auch müssen neue Anknüpfungspunkte zwischen den jüngeren Generationen entstehen. Eine weitreichende Förderung des deutsch-israelischen Jungenaustausches ist deshalb ein wichtiger Schritt. Ebenso können aktive Städtepartnerschaften einen wichtigen Beitrag leisten. 

ELNET führt auch diesem Jahr die Israel-Umfrage unter Abgeordneten des Deutschen Bundestages und der Landtage durch. Erstmals sind weitere europäische Staaten in die Befragung eingebunden. Die Ergebnisse veröffentlichen wir demnächst auf unserer Webseite.