Deutsch-österreichische Delegation besucht Israel

Rechtspolitische Fragestellungen standen im Mittelpunkt einer ELNET-Delegationsreise, die deutsche und österreichische Abgeordnete vom 06. bis 10. Juli 2024 nach Israel führte. Unter der Leitung von Elisabeth Winkelmeier-Becker MdB, Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, beschäftigten sich die Delegationsteilnehmer mit der völkerrechtlichen Einordnung des Hamas-Israel-Krieges und den innenpolitischen Debatten rund um die vor dem Angriff der Hamas geplanten Justizreformen in Israel. 

Die Folgen des Terrors und der andauernde Krieg prägen das Land weiterhin. Dazu nähren die Auseinandersetzungen mit der Hisbollah Sorgen vor einer weiteren Eskalation. In dieser Situation war es den Abgeordneten wichtig, Orte zu besuchen, an denen der Terror des 07. Oktober 2023 noch immer allgegenwärtig ist. Nach einem Besuch auf dem Gelände des Nova Festivals reisten die Delegationsteilnehmer in das Kibbutz Be’eri und tauschten sich dort mit Betroffenen aus. Polizeisprecher Micky Rosenfeld berichtete von der Evakuierung der Stadt Sderot und den Lehren, die für die Polizeiarbeit aus den Angriffen des 07. Oktober gezogen wurden. Anschließend besuchte die Delegation den Hostages Square und traf auf Familien der Geiseln, die sich seit mehr als neun Monaten in den Händen der Hamas im Gazastreifen befinden.

Im Austausch mit den Botschaften der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich kamen die Verfahren gegen Israel und einzelne israelische Regierungsvertreter vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) und dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zur Sprache. Deutschland und Österreich seien Unterstützer beider Institutionen: Die Verbrechen der Hamas, so der Konsens des Gespräches, dürften aber nie mit der israelischen Selbstverteidigung auf eine Stufe gestellt werden. Auch im Gespräch mit Völkerrechtsexperte Prof. Robbie Sabel ging es um die komplexe völkerrechtliche Lage. Um Israels Legitimität und Souveränität auf der internationalen Bühne zu behaupten, sei die Einhaltung rechtlicher Standards wichtig. Viele UN-Resolutionen seien allerdings rechtlich nicht bindend und würden auch von anderen Staaten nicht umfassend befolgt.

Zentrale juristische Fragen Israels im Blick

Im Gespräch mit Vertretern der Abteilung für internationales Recht der israelischen Armee (IDF) ging es darum, wie die Einhaltung völkerrechtlicher Standards in Militäroperationen praktisch umgesetzt wird. Die Auswahl und Bekämpfung militärischer Ziele bei gleichzeitiger Minimierung ziviler Opfer sei im aktuellen Hamas-Israel-Krieg eine besondere Herausforderung. Jeder Verstoß gegen Einsatzregeln werde untersucht und nach rechtsstaatlichen Maßstäben geahndet. Ein Austausch mit Colonel (Res.) Maya Heller, ehemalige Richterin an einem Militärgericht, brachte den Delegationsteilnehmern die Struktur der israelischen Militärjustiz nahe. Richterinnen und Richtern stehen hier Geschworene aus den Reihen der IDF zur Seite. 

Die Abgeordneten kamen zudem mit Elyakim Rubinstein zusammen, der von 2004 bis 2017 am Obersten Gericht Israels als Richter diente. Er berichtete von der intensiven Debatte um die umstrittenen Justizreformen, mit denen die Regierung Netanjahu Kompetenzen des Obersten Gerichts zu beschneiden versucht hatte. Am 24. Juli 2023 wurde mit der Abschaffung der „Angemessenheitsklausel“ ein Kernpunkt der Reformen durch die Knesset verabschiedet. Dem vorausgegangen war ein intensiver Diskussionsprozess in Politik und Gesellschaft. Weitergehende Reformvorschläge traten nach den Angriffen des 07. Oktober aber in den Hintergrund. 

Auch die Zukunft des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) stand im Fokus der Gespräche. MK Sharren Haskel, Vorsitzende der UNRWA-Arbeitsgruppe des israelischen Parlamentes (Knesset), sprach mit den Delegationsteilnehmern u.a. über die Rolle der Organisation im Bildungssystem Gazas. Die enge Verquickung mit der Hamas sei nicht nur für Israel ein großes Problem. Auch für die lokale Bevölkerung sei dies der Fall, so die einhellige Meinung der Gesprächspartner. Deutschland und Österreich sollten als Geldgeber dringend auf Reformen drängen. 

Seit dem 07. Oktober 2023 spielen juristische Fragen eine hervorgehobene Rolle in Debatten über den Hamas-Israel-Krieg. Die Verfahren gegen Israel und hochrangige Regierungsvertreter vor dem IGH und dem IStGH sind hochkomplex. Hier ist weitere Aufklärung notwendig. Auch wenn die innenpolitische Debatte um die Justizreformen derzeit abgeklungen ist, bleibt die Balance zwischen Parlament, Regierung und Oberstem Gericht fragil. Ein erneuter Versuch, Veränderungen in diesem Bereich herbeizuführen, kann schnell politische Fragen aufwerfen, die Israel erneut aufwühlen könnten.