Der israelisch-palästinensische Konflikt vor Gericht

Kaum eine Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag hat soviel Kritik erfahren wie die vom 5. Februar 2021. Diese erklärt die Anklagebehörde des IStGH für zuständig, israelische und palästinensische Verantwortliche wegen möglicher Verbrechen in den Palästinensischen Autonomiegebieten anklagen zu dürfen. Auch ELNET kritisierte diese Entscheidung im Februar.

Im neuen ELNET Policy Briefing „Rechtliche und politische Handlungsmöglichkeiten nach der jüngsten „Palästina“-Entscheidung des IStGHs“ erläutert Prof. Dr. Wolfgang Bock in einem Gastbeitrag das Thema nun detailliert.  

Vor diesem Hintergrund veranstaltete das European Leadership Network (ELNET) zusammen mit dem Forum of Strategic Dialogue (FSD) außerdem eine virtuelle Podiumsdiskussion. Das Forum bot internationalen Entscheidungsträgern und Experten die Möglichkeit, sich mit den möglichen Herausforderungen und Konsequenzen dieser Entscheidung auseinanderzusetzen.

Das erste Panel beschäftigte sich mit der juristischen Dimension. Im Fokus lag hier die Legitimität der Entscheidung des internationalen Gerichtshofes. Das zweite Panel befasste sich mit den geopolitischen Konsequenzen. 

Als Redner nahmen am 1. Panel teil: 

  • Prof. Irwin Cotler, ehemaliger Justizminister und Generalstaatsanwalt Kanadas
  • Elyakim Rubinstein, ehemaliger Vizepräsident des Obersten Gerichtshof Israels
  • Francois Zimeray, ehemaliger französischer Botschafter in Dänemark und Sonderbotschafter für Menschenrechte
  • Dr. Christophe Eick, Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt
  • Dr. Tal Becker, Rechtsberater im Außenministerium Israels 

Als Redner nahmen am 2. Panel teil:

  • Dennis Ross, Berater und Fellow am Washington Institute for Near East Policy
  • Michael Herzog, Direktor des Forum of Strategic Dialogue und Fellow am Washington Institue for Near East Policy
  • Søren Gade MdEP, früherer Verteidigungsminister Dänemarks
  • Michal Cotler-Wunsh, ehemalige Verbindungsfrau der Knesset zu Fragen im Zusammenhang mit dem IStGH 

Der ehemalige Vizepräsident des Obersten Gerichtshof, Elyakim Rubinstein, erinnerte in der Eröffnung an die Stimmung in Israel bei der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH). Man habe die Idee einer solchen Institution unterstützt, gewiss gab es aber auch schon in frühen Stadien Bedenken aufgrund einer möglichen Politisierung. Prof. Irwin Cotler verdeutlichte ebenfalls, dass er ein großer Befürworter der Grundidee des Internationalen Strafgerichtshofes sei. Allerdings sei die Eröffnung der Untersuchung gegen Israel ein Verstoß gegen seinen eigentlichen Zweck, als Gericht der letzten Instanz zu dienen. 

Kritik am Vorgang kam auch von der israelischen Seite. Die Argumente für die Eröffnung dieses Verfahrens seien aus einer juristischen Sicht sehr fragwürdig. Der Gerichtshof habe sich „in diesem Fall sich dazu entschieden, sich auf einen politischen Beschluss zu verlassen, um zu einer rechtlichen Schlussfolgerung zu gelangen.“, argumentierte Dr. Becker. 

Zustimmung zu dieser juristischen Analyse gab es auch von der deutschen Seite. Dr. Eick wies darauf hin, dass im Juni eine Ablösung der aktuellen Chefanklägerin stattfinden wird, was eine Chance für die Einstellung des Verfahrens bietet. Des Weiteren brauche der Strafgerichtshof nach zwanzig Jahren eine Reform, die von den Freunden des IStGH getragen werden muss, gerne auch mit der Stimme Israels. 

Die Ermittlungsarbeiten des IStGH haben auch geopolitische Konsequenzen. So sei die Politisierung des Gerichtshofs eine Gefahr für den Westen. Die Europäische Union müsse diesem Trend entgegenwirken, argumentierte Søren Gade, MdEP im Rahmen des zweiten Panels. 

Hinzu kommt, dass diese Entscheidung sich negativ auf den Friedenprozess zwischen Israel und den Palästinensern auswirke. Die Palästinische Autonomiebehörde nutze das Verfahren für ihre „Strategie der Opferrolle, der „Externalisierung“ des Konflikts und der Vermeidung von politischen Kompromissen mit Israel. Die Befassung des IStGH untergrabe die politische Verantwortung der Palästinensischen Autonomiebehörde bezüglich der Oslo-Abkommen.“, sagte Michal Cotler-Wunsh. Außerdem sei die Anklage gegen Israel nur ein Vorwand der palästinensischen Autonomiebehörde, um sich gegen die Hamas durchzusetzen. Friedensverhandlungen, so Michael Herzog, seien in diesem Kontext unmöglich. 

Der Diplomat Dennis Ross appellierte in seinem Schlusswort an die USA und Europa zu einem koordinierten Handeln im Einsatz gegen die Politisierung des IStGH. Der neue Chefankläger müsse gemeinsam davon überzeugt werden, die Anklage fallen zu lassen. Dies sei im Interesse der Integrität des Gerichtshofes und der internationalen Gemeinschaft. 

ELNET ersucht den neuen Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, die Zuständigkeit des IStGH in diesem Fall erneut zu prüfen. Weitere Handlungsempfehlungen bietet das neue ELNET Policy Briefing von Prof. Dr. Wolfgang Bock.