Anfang Dezember 2025 richteten ELNET, das Forum of Strategic Dialogue (FSD) und die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) das 13. Deutsch-Israelische Strategische Forum in Berlin aus. Erstmals war Table.Briefings als Medienpartner dabei. Eine hochrangige israelische Delegation aus Politik, Wissenschaft, Militär, Cyber- und Sicherheitsexperten reiste für den vertraulichen Austausch nach Deutschland.
Vor dem Hintergrund der weiterhin fragilen Lage im Gazastreifen, der sicherheitspolitischen Herausforderungen an Israels Grenzen sowie globaler geopolitischer Verschiebungen bot das Forum eine zentrale Plattform, um aktuelle Entwicklungen einzuordnen und zukünftige Kooperationen auszuloten. Die Gespräche erhielten zusätzliche Relevanz durch die feierliche Inbetriebnahme des Arrow-3-Raketenabwehrsystems in Brandenburg, die am selben Tag ein sichtbares Zeichen der sicherheitspolitischen Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel setzte.
Zu Beginn betonten die Teilnehmer die Bedeutung offener Gespräche unter Freunden, gerade in herausfordernden Zeiten. Sie verwiesen auf die sicherheitspolitische Zeitenwende in Deutschland, die Rolle Israels in der deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie sowie die Notwendigkeit eines intensiven deutsch-israelischen Austauschs zu Fragen militärischer und hybrider Bedrohungen.
Der „Day After“ im Gazastreifen: Herausforderungen für Stabilisierung und Governance
Die erste Session des Forums widmete sich den sicherheitspolitischen Herausforderungen rund um die Situation im Gazastreifen nach dem Waffenstillstand. Die Diskussion zeigte die Komplexität der Lage: Während 90 % der Infrastruktur zerstört und die Menschen weiter auf humanitäre Unterstützung angewiesen seien, fehle gleichzeitig eine glaubwürdige Governance-Struktur, die Wiederaufbau, Sicherheit und institutionelle Reformen tragen könne.
Mehrere Beiträge betonten die Notwendigkeit umfassender Reformen der Palästinensischen Autonomiebehörde, verbunden mit klaren Bedingungen für eine fortlaufende internationaler Unterstützung. Auch die Rolle der angedachten internationale Stabilisierungstruppe wurde als möglicher Baustein diskutiert – jedoch mit erheblichen operativen und politischen Vorbehalten.
Aufgrund seiner sicherheitspolitischen Verlässlichkeit und seiner Erfahrung im „Institution Building“ könne Deutschland sowohl im Sicherheitssektor (Training, Grenzmanagement, Aufbau der Polizei) als auch im Bereich Deradikalisierug wichtige Beiträge leisten. Einigkeit bestand darin, dass ohne substanzielle Strukturreformen und regionale Einbindung keine nachhaltige Perspektive entstehen könne.
Informationskrieg und Wahrnehmung: Strategische Kommunikation im 21. Jahrhundert
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurde deutlich, wie entscheidend der Informationsraum für moderne Konflikte geworden ist. Die Teilnehmenden beschrieben, dass Narrative oft schneller entstünden als Fakten verifiziert werden könnten, was einen strukturellen Nachteil demokratischer Staaten gegenüber Akteuren wie Hamas oder staatlichen Propaganda-Netzwerken darstelle.
Mehrere israelische und deutsche Stimmen hoben hervor, dass Desinformation, visuelle Emotionalisierung und algorithmische Verstärkung maßgeblich zur Verschiebung der öffentlichen Meinung beitrügen. Gleichzeitig wurde betont, dass Israel seine internationale Kommunikationsfähigkeit weiter stärken müsse, insbesondere im Zusammenspiel mit europäischen Partnern, zivilgesellschaftlichen Akteuren und den Medien.
Die Diskussion zeigte zudem, wie eng Informationssicherheit und strategische Resilienz mit der Bekämpfung von Antisemitismus und Antizionismus verknüpft sind. Deutschland und Israel stehen hier vor gemeinsamen Herausforderungen – und benötigen koordinierte Ansätze, um der wachsenden Komplexität des digitalen Informationsumfelds zu begegnen.
60 Jahre diplomatische Beziehungen: Staatsräson und ein gemeinsamer Auftrag
Zum 60. Jubiläum der bilateralen Beziehungen beleuchtete die dritte Session des Roundtable-Formats die Grundlagen und Zukunftsperspektiven der Partnerschaft. Die Diskussion machte deutlich, dass das Verhältnis weit über historische Verantwortung hinausgeht: Es basiert auf gemeinsamen demokratischen Werten, sicherheitspolitischen Interessen und jahrzehntelanger Zusammenarbeit in Wissenschaft, Innovation und Verteidigung.
Gleichzeitig wurden die gegenwärtigen Belastungsproben offen benannt: Meinungsverschiedenheiten im Rahmen des Hamas-Israel-Krieges, gesellschaftliche Polarisierung, wachsende antiliberale Tendenzen, geopolitische Unsicherheiten. Mehrere Teilnehmer betonten, dass die Staatsräson ein unverzichtbarer politischer Kompass bleibe – ihre Wirksamkeit jedoch davon abhänge, ob sie in konkrete Politik, Bildungsarbeit und institutionalisierte Kooperation übersetzt werde.
Einigkeit bestand darin, dass die deutsch-israelische Partnerschaft für die Bewältigung regionaler wie globaler Herausforderungen weiterhin essenziell sei. Gerade angesichts der aktuellen Lage sei ein aktiver, strategischer Dialog notwendiger denn je.
Sicherheitskooperation – Gemeinsame Antworten auf neue Bedrohungslagen
Zum Abschluss der Veranstaltung rückte die sicherheitspolitische Zusammenarbeit in den Fokus. Die Diskussionen hoben insbesondere die Stationierung von Arrow 3 in Deutschland als Meilenstein in der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern heraus. Teilnehmende erachteten die Inbetriebnahme als Ausdruck eines neuen Niveaus technologischer und operativer Partnerschaft.
Im Mittelpunkt standen darüber hinaus Cyberabwehr, Künstliche Intelligenz (KI) sowie Forschung & Entwicklung (R&D) als gemeinsame strategische Prioritäten. Während Israel über ausgeprägte Fähigkeiten in der aktiven Cyberabwehr verfügt, wurde für Deutschland dringender Handlungsbedarf identifiziert. Breite Zustimmung fand die Idee, bilaterale Defence-Tech-Kooperationen aufzubauen, etwa durch engere Industrienetzwerke oder gemeinsame R&D-Projekte. Diese könnten langfristig Schlüsseltechnologien stärken, Abhängigkeiten reduzieren und die strategische Autonomie beider Länder erhöhen.
Das 13. Deutsch-Israelische Strategische Forum hat erneut verdeutlicht, wie wichtig ein offener, vertrauensvoller Austausch für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel bleibt. Die Bandbreite der diskutierten Themen – von der Stabilisierung im Gazastreifen über strategische Kommunikation bis hin zu technologischer Innovation und Verteidigungskooperation – zeigt, wie stark die Interessen Deutschlands und Israels miteinander verknüpft sind.
Gleichzeitig machten die Gespräche deutlich, dass die kommenden Jahre gemeinsame Antworten auf komplexe Herausforderungen erfordern: regionale Stabilität, Resilienz gegen Informationsbedrohungen und der Ausbau moderner Verteidigungsfähigkeiten. Die im Forum formulierten Impulse bieten hierfür eine wichtige Grundlage und unterstreichen die Verantwortung beider Länder, ihre strategische Partnerschaft aktiv weiterzuentwickeln.
Die 14. Auflage des jährlich zwischen beiden Ländern alternierenden Deutsch-Israelischen Strategischen Forums wird Ende 2026 stattfinden, dann wieder in Israel.

















