Wirtschaftsweise aus den USA, Europa und Israel sind sich einig: Im zweiten Halbjahr 2020 können wir mit dem sukzessiven Ende von Lockdowns auch auf einen weltweiten Wirtschaftsaufschwung hoffen. Trotzdem steht das globale Wirtschaftssystem in Folge der Covid-19 Pandemie vor massiven Veränderungen.
„Das Schlimmste ist ganz klar hinter uns. Wir wachsen langsam wieder. Insbesondere das 3. Quartal wird wahrscheinlich relativ gut sein, (…) mit klaren politischen Implikationen für die USA,“ sagte der ehemalige IWF Chefökonom Professor Olivier Blanchard im Rahmen eines von ELNET und Start-Up Nation Central organisierten Webinars zu den wirtschaftlichen Folgen der Covid-19 Pandemie.
Drei weltweit führende Wirtschaftswissenschaftler diskutierten unter der Moderation von Stephanie Flanders, Chefin von Bloomberg Economics: die Professoren Olivier Blanchard, Jason Furman und Eugene Kandel. Mehr als 250 Teilnehmer aus über 15 Nationen verfolgten die Debatte über den Weg aus der globalen Rezession.
Zwar stimmte der langjährige Wirtschaftsberater Präsident Obamas und Harvard Professor Jason Furman den Prognosen von Professor Blanchard zu, gleichzeitig warnte er allerdings auch vor einem erheblichen wirtschaftlichen Strukturwandel nach der Pandemie. „Niemand sollte erwarten, dass wir vor 2023 auf das Level an Pro-Kopf Einkommen zurückkehren werden, das wir vor der Krise erreicht hatten,“ so Professor Furman.
Für exportorientierte Nationen wie zum Beispiel Israel wird der Aufholprozess besonders von der wirtschaftlichen Stärke anderer Nationen abhängen, stellte der ehemaliger Wirtschaftsberater des israelischen Premierministers Netanyahu und jetziger CEO von Start-Up Nation Central, Professor Eugene Kandel, fest. In diesem Umfeld wird technologische Innovationskraft, wie Israel sie hat, ein Ass im Ärmel sein, auch weil bereits jetzt Kommunikationstechnologien im Zuge der Pandemie zunehmend nachgefragt werden.
Die europäische Reaktion auf die Pandemie betrachtend, hob Professor Blanchard besonders die von Merkel und Macron in Aussicht gestellten EU Hilfsgelder in Höhe von 750 Mrd. Euro als einen wichtigen Schritt für die Zukunft hervor. „Die Position, dass es gemeinschaftliche Schuldenaufnahme und Ausgabe von Hilfsgeldern (…) auf der Basis von Bedürftigkeit geben soll, ist ein riesiger Fortschritt.“
In die Zukunft blickend wird aus Sicht von Professor Kandel eine der größten wirtschaftlichen Herausforderungen der Covid-19 Pandemie die verstärkte technologische Transformation des Wirtschaftssystems sein. Diese könnte langfristig viele Arbeitsplätze obsolet machen – mit der zu erwartenden sozialen und politischen Unzufriedenheit. Für Professor Blanchard wird eine weitere wichtige Herausforderung der Post-Corona Zeit die Einführung eines effektiven Carbon-Pricing Systems sein, um die ökologische Transformation des Wirtschaftssystems zu fördern.
Zum Abschluss der Videokonferenz sprach Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, der seine Antwort auf die Covid-19 Pandemie in drei Pfeiler zusammenfasste: Solidarität, Souveränität und grüner Wiederaufbau. Solidarität insbesondere in Anbetracht steigender wirtschaftlicher Ungleichheit im Zuge der Pandemie, aber auch Solidarität zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Souveränität, weil die Krise gezeigt hat, dass die Abhängigkeiten von einem Anbieter in kritischen Wirtschaftssektoren inakzeptable Schwachstellen mit sich bringen kann. Die Bekämpfung des Klimawandels hob Le Maire als seinen letzten Pfeiler des wirtschaftlichen Wiederaufbaus hervor.
„Ich denke ganz klar, dass der Kampf gegen den Klimawandel ein Antrieb für die Wettbewerbsfähigkeit der französischen und europäischen Wirtschaft ist,“ so Le Maire zum Abschluss.