Diesmal beschäftigt sich das Format „3 Fragen – 3 Antworten“ mit dem Thema Innovation, einem der drei zentralen Schwerpunkte der Arbeit von ELNET Deutschland. In diesem Kontext wurde Ende 2020 auch das German Israeli Network of Startups & Mittelstand (GINSUM) gegründet. Zu Beginn des neuen Jahres stand nun Dorothee Bär MdB, Staatsministerin im Bundeskanzleramt, zum Gespräch über die Potenziale des deutsch-israelischen Austauschs im Kontext der Digitalisierung zur Verfügung.
ELNET Deutschland (ED): Was wird die Bundesregierung künftig unternehmen, damit sich junge Jüdinnen und Juden in Deutschland wieder sicherer fühlen und hier Perspektiven für ein gutes und erfülltes Leben sehen?
Dorothee Bär: Die Bundesregierung nimmt die Bedrohung durch rechtextremistische und antisemitische Straftaten sehr ernst. 2019 haben antisemitische Straftaten mit 2.032 gemeldeten Fällen einen neuen Allzeithöchststand (+13 % ggü. dem Vorjahr) erreicht. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und allen anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hat für die Bundesregierung oberste politische Priorität.
Dies hat die Bundesregierung zuletzt mit der Einrichtung des Kabinettausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus unterstrichen, der sich ausdrücklich auch mit dem Kampf gegen Antisemitismus beschäftigt und im November 2020 einen Katalog mit insgesamt 89 konkreten Maßnahmen vorgelegt hat. Hierfür stehen in den Jahren 2021 bis 2024 ca. 1 Milliarde Euro zur Verfügung.
Bereits im Nachgang zu dem fürchterlichen Anschlag auf die Synagoge in Halle am Jom Kippur-Tag im Jahr 2019 haben die Innenminister und -senatoren von Bund und Ländern Verbesserungen des Schutzes jüdischer Einrichtungen beschlossen. Um insbesondere den Schutz jüdischer Einrichtungen in technischer und baulicher Hinsicht zu verbessern, hat die Bundesregierung dem Zentralrat der Juden im Jahr 2020 22 Mio. Euro als einmaligen Zuschuss für Investitionen und Baumaßnahmen zur Finanzierung zusätzlicher baulicher und technischer Sicherungsmaßnahmen inländischer jüdischer Einrichtungen zur Verfügung gestellt.
Im Bundesinnenministerium wurde zudem ein Jour Fixe zum Thema Sicherheit mit dem Zentralrat der Judeneingerichtet, bei dem regelmäßig aktuelle Belange zu Fragen der Sicherheit jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger angesprochen werden können.
Bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode hat Herr Dr. Felix Klein sein Amt als Beauftragter der Bundesregierung (BA) für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus angetreten. In seiner Arbeit wird BA Klein von einem unabhängigen Expertenkreis unterstützt. Auch 15 Bundesländer haben inzwischen vergleichbare Beauftragte eingesetzt oder dies angekündigt.
Es ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, jüdisches Leben in Deutschland insgesamt zu stärken. Daher unterstützt sie nicht nur Maßnahmen, die sich gegen Antisemitismus und Hass wenden und Präventionsarbeit leisten, sondern fördert auch Initiativen, die Austausch und Verständigung von Menschen aus verschiedenen Religionen und Kulturen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen.
Konkret fördert der Bund zum Beispiel jüdische Institutionen und Organisationen wie das Internationale Auschwitz Komitee und überregionale wissenschaftliche Einrichtungen wie das Leo Baeck Institut. Letzteres widmet sich der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte und Kultur des deutschen Judentums.
Zum Aufbau einer pluralen jüdischen Gemeinschaft in Deutschland trägt zudem der Staatsvertrag zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat der Juden in Deutschland bei. Durch den Vertrag verpflichtet sich der Bund, dem Zentralrat der Juden in Deutschland für die Erfüllung seiner überregionalen Aufgaben bei der Erhaltung und Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes und beim Aufbau der jüdischen Gemeinschaft sowie für seine integrationspolitischen und sozialen Aufgaben jährlich eine Staatsleistung zu zahlen.
Alle diese Maßnahmen tragen auch dazu bei, jüdisches Leben in Deutschland noch sichtbarer zu machen. In diesem Jahr blicken wir zurück auf 1.700 jüdisches Leben in unserem Land. Dieses Jubiläum bietet die große Chance, sich der langen Tradition jüdischen Lebens bewusst zu werden und sie als lebendigen und selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft wahrzunehmen. Auf diese Weise können wir weiter zusammenwachsen und der Zusammenhalt in unserem Land kann sich vergrößern.
ELNET Deutschland (ED): Gerade der deutsche Mittelstand kann im Zuge der digitalen Transformation vom Know-How junger, dynamischer Unternehmen aus Israel profitieren. Wie können wir die israelische Startup- Szene noch besser mit der deutschen Wirtschaft vernetzen, um neue Synergien und Mehrwerte zu schaffen?
Dorothee Bär: Auf beiden Seiten sind es nicht nur große, sondern vor allem auch mittlere und kleinere Unternehmen, die sich sehr innovationsstark zeigen. Für die Vernetzung der israelischen Startup-Szene mit der deutschen Wirtschaft gibt es Initiativen und Ideen. Seit November 2020 fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das German Israeli Network of Startups & Mittelstand, ein Projekt des European Leadership Network (ELNET), das die Start-up-Szene Israels mit deutschen Mittelständlern zusammenbringt. Ein zukunftsorientiertes Programm ist zudem das durch die Bundesländer geförderte „New Kibbutz“-Programm, das im Jahr 2015 zum 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ins Leben gerufen wurde. Es ermöglicht deutschen Studierenden aus Wirtschaftsstudiengängen mehrmonatige Praktika in israelischen Start-ups.
ELNET Deutschland (ED): Welche Fördermöglichkeiten gibt es für deutsche Startups, die den israelischen Markt für sich entdecken wollen?
Dorothee Bär: Mit dem Programm „EXIST Potentiale – Förderlinie Internationalisierung“ fördert die Bundesregierung unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums Internationalisierungsinitiativen u.a. mit Israel und unterstützt Entrepreneurship Vernetzung und Start-ups im internationalen Umfeld. Die geförderten Instrumente umfassen Inbound- und Outbound-Maßnahmen, welche ausländische Gründer und Investoren anziehen sowie die Startups aus der Region bei deren Internationalisierung unterstützen sollen. Eine zentrale Anlaufstelle für deutsche Startups, die sich für den israelischen Markt interessieren, bildet im Rahmen der deutschen Außenwirtschaftsförderung die Auslandshandelskammer (AHK) Israel, die einen guten Überblick sowohl der Kooperations- als auch der Fördermöglichkeiten bieten kann.
Bereits zuvor hat die Bundesregierung mit dem zweijährigen Modellprojekt „EXIST Startup Germany-Israel“ innovative israelische Gründungen in Deutschland gefördert. Für Investitionen und bei Kooperationsinteresse israelischer Unternehmen in Deutschland ist die erste Anlaufstelle Germany Trade & Invest (GTAI), die Ansiedlungen israelischer Unternehmen in Deutschland u.a. mit einem auf Israel spezialisierten Team unterstützt.
Foto: Jörg Rüger