Im Hinblick auf die für den 22. Mai angesetzten Parlamentswahlen appelliert ELNET an die Europäische Union sowie die deutsche Bundesregierung, ihre Positionen zu einer möglichen Beteiligung der Hamas an einer zukünftigen palästinensischen Regierung zu präzisieren. Dies wäre ein konsequenter Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik.
Die Abhaltung demokratischer Wahlen in den palästinensischen Gebieten, die zum ersten Mal seit 15 Jahren stattfinden, ist zu begrüßen. Das palästinensische Volk hat ein Recht darauf, in freien und fairen Wahlen demokratisch darüber zu entscheiden, von wem es vertreten werden möchte.
Es gilt jedoch zu bedenken, dass die geplanten Wahlen eine Teilnahme der Hamas vorsehen. Bei der Hamas handelt es sich um eine bewaffnete islamistische Bewegung, welche sich die gewaltsame Zerstörung Israels zum Ziel gesetzt hat. Das Washington Institute weist außerdem darauf hin, dass sich mehrere verurteilte Terroristen und militante Hardliner unter den Wahlkandidaten der Hamas befinden.
Die Position der europäischen Regierungen sollte sich an historischen Präzedenzfällen und den Werten und Gesetzen der EU orientieren:
- Die Hamas wurde 2003 von der EU als terroristische Organisation eingestuft und verboten – eine Entscheidung, die durch mehrere Gerichtsurteile bestätigt wurde.
- Im Jahr 2006 nahm die Hamas an den Wahlen der Palästinensischen Autonomiebehörde teil. Damit verstieß sie gegen die Bestimmungen des Osloer Abkommens, welche Kandidaten ausschließt, die „die Umsetzung ihrer Ziele mit ungesetzlichen oder undemokratischen Mitteln verfolgen“.
- Nach dem überraschenden Sieg der Hamas im Jahr 2006 machte das Quartett (USA, EU, UN und Russland) deutlich, dass „alle Mitglieder einer zukünftigen palästinensischen Regierung zur Gewaltlosigkeit, zur Anerkennung Israels und zur Akzeptanz früherer Abkommen verpflichtet sein müssen“. Die Bildung einer palästinensischen Regierung, in der die Hamas eine führende Rolle spielt, beeinträchtigt die Fähigkeit der EU und der europäischen Regierungen erheblich, der Palästinensischen Autonomiebehörde Finanz- und Entwicklungshilfe zu leisten.
- Zudem führte der Wahlsieg der Hamas dazu, dass sie den Gazastreifen 2007 gewaltsam übernahm. Die Folgen dieses Ereignisses – eine ungelöste Spaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde und verheerende Auseinandersetzungen zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel – überschatten bis heute die Versuche den Frieden voranzutreiben.
Die Europäische Union sowie ihre Mitgliedsstaaten sollten daher in Abstimmung mit den Vereinigten Staaten und anderen internationalen Akteuren im Vorfeld der Wahlen eine deutliche Botschaft an die höchsten Regierungsstellen der Palästinensischen Autonomiebehörde übermitteln. Die palästinensische Führung muss sich darüber im Klaren sein, dass das palästinensische Volk zwar das Recht zugestanden wird, seine eigenen innenpolitischen Prozesse zu gestalten, dass aber die EU und die europäischen Regierungen keine Geschäftsbeziehungen mit einer palästinensischen Regierung, an der die Hamas beteiligt ist, führen wird. Außerdem sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten deutlich machen, dass sie eine zukünftige palästinensische Regierung nicht weiter unterstützen werden, sofern deren Vertreter nicht unmissverständlich auf Gewalt verzichten und Israel anerkennen. Alles andere würde dem Verbot der Hamas als terroristische Organisation durch die EU und den europäischen Verpflichtungen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf der Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung widersprechen.
Die Anerkennung Israels bedeutet, die dauerhafte Existenz des Landes als grundlegenden Bestandteil der Konfliktlösung zu akzeptieren und nicht, wie die Hamas meint, als einen vorübergehenden Zustand vor der Vernichtung des jüdischen Staates. Darüber hinaus sollte von allen Mitgliedern der palästinensischen Regierung erwartet werden, dass sie unmissverständlich auf Gewalt in aller Form verzichten. Dies beinhaltet nicht nur den Verzicht auf Raketen und Bomben, sondern auch den sogenannten „Volkswiderstand“, den tödlichen Einsatz von Messern, Fahrzeugen, Molotow-Cocktails und Steinen.
Demokratische Prozesse gehören zum Kern europäischer Werte und sollten global gefördert werden. Aufgrund ihrer eigenen historischen Erfahrung ist es Europäern jedoch sehr wohl bewusst, dass die Demokratie vor denen geschützt werden muss, die legitime Prozesse missbrauchen, um radikale, illiberale und antidemokratische Ziele zu verfolgen.