Nasrallah und die Hisbollah: Die militärische Bedrohung aus dem Libanon

Am 27. September 2024 wurde Hassan Nasrallah, der Anführer der schiitischen Terrororganisation Hisbollah, bei einem gezielten israelischen Luftangriff in Beirut getötet. Dies markiert einen Wendepunkt im Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah.  

Die Hisbollah (übersetzt: Partei Gottes) ist eine schiitische politische Gruppierung mit Sitz im Libanon. Die Gruppierung verfügt über umfangreiche Streitkräfte und ist der größte, am umfangreich ausgerüstete und kampferprobteste Teil der sogenannten iranischen „Achse des Widerstands“. Zu dieser gehören auch die Hamas, der Palästinensische Islamische Dschihad, die Huthi-Rebellen im Jemen, die Streitkräfte des syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad sowie eine Vielzahl von schiitischen Milizen im Irak. 

Die Hisbollah entstand aus dem Chaos des fünfzehnjährigen Bürgerkriegs im Libanon in den 1970er und 1980er Jahren. Im Krieg mit Israel kämpfte eine Gruppe schiitischer Muslime, vom Iran finanziert und ausgebildet, gegen die israelische Armee (IDF) und wurde zur heutigen Miliz Hisbollah. In der Folgezeit verübte die Terrorgruppe weltweit Anschläge auf israelische, amerikanische und jüdische Ziele. So wurden 1982 die US-Botschaft in Beirut angegriffen. 1994 wurde das jüdische Kulturzentrum in Buenos Aires Ziel eines Bombenattentats – ein Anschlag, bei dem 85 Menschen getötet wurden. Über mehrere Jahrzehnte hinweg schickte die Hisbollah außerdem Kämpfer in die Kriege auf dem Balkan, nach Syrien und in den Irak. 

Heute soll die Hisbollah insgesamt über mehr als 150.000 Raketen verfügen, von denen einige präzisionsgelenkt sind und eine hohe Sprengkraft haben. Diese Raketen sind auf Israel gerichtet. Zu weiteren bekannten Waffen im Besitz der Gruppierung gehören eine Vielzahl von Luftabwehr-, Schiffsabwehr-, Panzerabwehr- und Boden-Boden-Raketen. Der Atlantic Council geht von 60.000 aktiven Kämpfern der Hisbollah aus, während die Hisbollah selbst die Zahl sogar auf 100.000 Kämpfer beziffert. Damit zählt sie zu den am stärksten bewaffneten Terrororganisationen weltweit. 

Seit dem 08. Oktober 2023 erfolgen immer wieder Raketen- und Drohnenangriffe der Hisbollah auf Israel, insbesondere auf den Norden des Landes, wie eine ELNET Delegation aus Mitgliedern des Deutschen Bundestags jüngst vor Ort erlebte. Allein im September 2024 gab es aufgrund von Hisbollah-Angriffen über 3.500 Raketenalarme in Israel. Circa 67.500 Menschen wurden aus dem Norden des Landes evakuiert, und warten seit fast einem Jahr darauf, in ihre Häuser zurückzukehren. Im Süden Libanons flohen über 100.000 Menschen vor israelischen Verteidigungsmaßnahmen ins benachbarte Syrien. 

Auf die Tötung Nasrallahs, der die Terrororganisation seit 1992 anführte, reagierte die  Region gespalten. Junge Syrer in Idlib, der letzten Hochburg der Anti-Assad-Rebellen im Nordwesten Syriens, feierten seinen Tod offen auf den Straßen. In den letzten Jahren spielte die Hisbollah eine entscheidende Rolle im syrischen Bürgerkrieg, wo sie den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad unterstützte und bei der Rückeroberung von strategisch wichtigen Gebieten wie Aleppo half.  Der Iran sowie die Huthi-Rebellen im Jemen verurteilten die Tötung scharf und drohten mit Vergeltung. US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Tötung als „Maßnahme der Gerechtigkeit“, die einen der gefährlichsten Terroristen der Welt ausgeschaltet habe. Währenddessen überraschte Bundesaußenministerin Baerbock mit der Aussage, dass die Aktion zu einer Destabilisierung des Libanon führen könne.  

Mitte September sorgten Explosionen von Kommunikationsgeräten der Terrororganisation Hisbollah für Aufsehen. Die Geräte – Pager und Walkie-Talkies – explodierten fast zeitgleich an verschiedenen Orten im Libanon. Die Explosionen töteten 32 Menschen und verletzten fast 3.500 Personen, unter anderem den iranischen Botschafter im Libanon. 

Nach der gezielten Sabotage der Kommunikationsinfrastruktur der Hisbollah, massiven Verlusten durch die israelischen Verteidigungsschläge per Luft sowie der Tötung ihres Anführers Nasrallah ist die Hisbollah entscheidend geschwächt. Der Iran, seit jeher der wichtigste Unterstützer der Organisation, wird wohl auch eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung spielen, wie die Gruppe auf die Tötung ihres Anführers reagiert.  

Israels Luftangriffe, einschließlich der gezielten Tötung Nasrallahs, zielen darauf ab, die militärischen Fähigkeiten der Hisbollah zu neutralisieren. Als oberste Priorität nennt die israelischen Regierung die Rückkehr der evakuierten Zivilisten in ihre Heimat im Norden des Landes. Diese könne nur dann erfolgen, wenn der dauerhafte Beschuss durch die Hisbollah gestoppt werde.