Mit dem Begriff „Ghetto“ wird häufig die soziale Zwangssegregation von Jüdinnen und Juden in gesonderte Stadtviertel in der Zeit des Nationalsozialismus verbunden. Die Liste der Ghettos, die sich meist in NS-kontrolierten Gebieten Osteuropas befanden, umfasst über 1.300 „Jüdische Wohnviertel“, in denen mehrere Millionen Juden interniert wurden. Entwürdigende Lebensbedingungen, Diskriminierung und Massaker waren kennzeichnend für den Alltag in Ghettos. Dazu kam Zwangsarbeit – etwa für die Rüstungsproduktion des Deutschen Reiches – ein fester Bestandteil der Tagesordnung.
Im Rahmen der Aufarbeitung der NS-Verbrechen wurde vielen Ghetto-Überlebenden, die Zwangsarbeit verrichten mussten, eine Entschädigung gezahlt. Hiervon ausgenommen waren jedoch lange Zeit NS-Verfolgte, die zwar in einem beschäftigungsähnlichen Arbeitsverhältnis angestellt waren, aufgrund ihrer Zwangsunterbringung in Ghettos jedoch keine freie Wahl bei der Berufsausübung hatten. Das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) hat sich dieser Problematik rechtlich angenommen.
Das Gesetz geht auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 1997 zurück. Durch das besagte Urteil wurden die Arbeitsjahre einer Überlebenden, die im Ghetto als Näherin angestellt war, als Beitragszeit für die deutsche Rentenversicherung anerkannt. Das darauf basierende ZRBG wurde 2002 durch den Deutschen Bundestag verabschiedet und trat rückwirkend ab 1997 in Kraft. Es ermöglicht den Überlebenden von Ghettos, eine gesetzliche Rente für ihre Arbeitsjahre zu beziehen. Dies gilt auch für Ghettobeschäftigte, die heute im Ausland leben und an die zuvor aufgrund der geltenden Auslandszahlvorschriften keine Renten überwiesen werden konnten. Die sogenannte Ghettorente wird zusätzlich zu Entschädigungsleistungen für erlittenes Leid gezahlt und wurden bisher in 73.000 Fällen bewilligt. Darunter befinden sich 43.000 in Israel lebende Shoa-Überlebende.
2014 wurde das ZRBG dahingehend geändert, dass zwei bis dato geltende Antragsfristen für die Auszahlung der Renten ersatzlos gestrichen wurden. Diese Änderung ermöglichte es einem größeren Kreis von Überlebenden des NS-Terrors, ihre Rentenansprüche geltend zu machen. Die konstruktive deutsch-israelische Zusammenarbeit, an der sich unteranderem auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem beteiligt, führte jüngst zu einer Erweiterung des ZRBG-Anwendungsbereiches. In diesem Zuge wurden weitere Städte in Rumänien und Bulgarien als offene Ghettos eingestuft. Folglich können nun auch Holocaustüberlebende, die in diesen Ortschaften in einem beschäftigungsähnlichen Verhältnis gearbeitet haben, ebenfalls eine Rente nach dem ZRBG beziehen. Darüber hinaus haben sich alle Beteiligten auf deutscher und israelischer Seite dafür ausgesprochen in Zukunft weiter daran zu arbeiten, die Rentenauszahlungen an Betroffene schneller und noch unbürokratischer zu ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund kam die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Kerstin Griese am 18. September mit der israelischen Ministerin für soziale Gleichheit Meirav Cohen zusammen. Die beiden Politikerinnen würdigten die bilaterale Zusammenarbeit bei der Umsetzung des deutschen Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Dass in diesem Fall ein solch enger Austausch zwischen Israel und Deutschland möglich ist, war nicht immer selbstverständlich. Vielmehr ist es ein Zeichen der besonderen Freundschaft, welche die Länder mittlerweile miteinander verbindet.
Die kontinuierliche Ausarbeitung des ZRBG ist ein wichtiger Bestandteil der historischen Verantwortung Deutschlands für die Opfer des Nationalsozialismus. Auch wenn das verursachte Leid und die begangen Verbrechen nie vollständig kompensiert werden können, ist es unerlässlich für Deutschland, sich hier verantwortlich zu zeigen. Die Verpflichtung, für die Fehler der Vergangenheit zu haften, ist dabei ebenso wichtig wie der entschiedene Kampf gegen jede Form von Antisemitismus. Hass gegenüber jüdischem Leben oder dem jüdischen Staat Israel darf weder in der Gegenwart noch in der Zukunft erneut Einzug in der Gesellschaft halten. Dieser erneut zunehmenden Herausforderung widmet sich auch das European Leadership Network (ELNET) mit verschiedenen Projekten.