Das European Leadership Network (ELNET) hat zum dritten Mal in Folge den Israel Survey durchgeführt. Insgesamt nahmen 454 Parlamentarier aus 29 europäischen Ländern an diesem einzigartigen Forschungsprojekt teil. In Deutschland beteiligten sich 185 Abgeordnete an der Umfrage, darunter 48 Mitglieder des Bundestages (MdBs) und 137 Mitglieder der Landtage (MdLs). Die Umfrage untersucht den Zustand der Beziehungen zwischen Europa und Israel vor dem Hintergrund bedeutender geopolitischer Ereignisse und beleuchtet die Wahrnehmungen und Prioritäten der Abgeordneten in Bezug auf Israel, die Nahostpolitik Europas und jüdisches Leben in Europa. In der deutschen Version der Umfrage werden spezifisch die deutschen Perspektiven der Parlamentarier zu diesen Themen untersucht.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
• Ungebrochener Kooperationswille mit Israel: Eine Mehrheit der teilnehmenden europäischen Abgeordneten (73 Prozent) bewertet die Beziehungen zwischen ihrem Land und Israel als sehr gut oder gut. In Deutschland liegt die Zustimmung sogar um 3 Prozentpunkte höher. Viele betonen, dass die Beziehung ihres Landes zu Israel von besonderer Bedeutung ist (83 Prozent). In Deutschland stimmen 99 Prozent dieser Aussage zu und beziehen sich dabei hauptsächlich auf die historische Verantwortung Deutschlands und die sicherheitspolitische Bedeutung der Beziehungen.
• Wachsendes Interesse an Verteidigungskooperation mit Israel: Europaweit fordern Abgeordnete mehr Zusammenarbeit mit Israel im Bereich Verteidigung, mit einer Zunahme von 26 Prozent im Vergleich zur Vorjahresumfrage. Die Zusammenarbeit in neuen Technologien (72 Prozent) wurde von den Parlamentariern am häufigsten erwähnt. Auch in Deutschland stieg das Interesse an der Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent und liegt nun bei 61 Prozent.
• Unterstützung der Abraham-Abkommen: 85 Prozent der teilnehmenden Abgeordneten wollen aktiv weitere Abkommen zwischen Israel und arabischen/muslimischen Ländern fördern. Europaweit stimmen 77 Prozent der Parlamentarier dafür, dass die Abraham-Abkommen als wirksamer Rahmen genutzt werden sollten, um arabische Länder bei der Friedensvermittlung und dem Wiederaufbauprozess einzubeziehen. In Deutschland liegt dieser Anteil bei 80 Prozent.
• UNRWA in der Kritik: Die überwiegende Mehrheit (90 Prozent) der teilnehmenden Abgeordneten befürwortet Änderungen an der Organisationsstruktur der UNRWA. Innerhalb dieser Gruppe variieren die Meinungen: 46 Prozent plädieren für eine Reform der UNRWA und strengere Aufsicht, während 44 Prozent vorschlagen, die Agentur in andere UN-Gremien zu integrieren. In Deutschland fordern 96 Prozent der teilnehmenden 162 Parlamentarier Veränderungen.
• Klarer Aufruf zur Bekämpfung des Antisemitismus: 84 Prozent der teilnehmenden Abgeordneten sind der Meinung, dass weitere Anstrengungen notwendig seien, um Antisemitismus in ihrem Land zu bekämpfen. In Deutschland sind es rund 97 Prozent. In Bezug auf die Formen von Antisemitismus, die die größte Bedrohung darstellen, unterscheiden sich die deutschen und europäischen Ergebnisse. In Deutschland wird Antisemitismus von rechts und aus radikalen muslimischen Gemeinden als die größte Bedrohung wahrgenommen, während es europaweit Antisemitismus aus radikalen muslimischen Gemeinden und latenter Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft sind. Sowohl in Deutschland als auch im restlichen Europa gibt es eine zunehmende Wahrnehmung von Antisemitismus von links als Bedrohung im Vergleich zum letzten Jahr. In Deutschland (72 Prozent) erkennen die Parlamentarier Israel-bezogenen Antisemitismus deutlich häufiger als Problem an als im restlichen Europa (53 Prozent).
Carsten Ovens, CEO ELNET (Deutschland, Österreich und Schweiz): „Die Israel-Umfrage zeigt erneut das breite Interesse der europäischen Politik an engen Beziehungen mit Israel. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Interesse an einer Zusammenarbeit im Verteidigungssektor sowie in neuen Technologien enorm gestiegen. Während der 7. Oktober auch darauf abziehlte, die Abraham-Abkommen anzugreifen, sehen Abgeordnete in ganz Europa diese als Instrument zur Stabilität in der Region und wollen sie – jetzt mehr denn je – weiter unterstützen. Im Gegensatz dazu hat die UNRWA an Glaubwürdigkeit verloren und muss reformiert werden. Deutschland als zweit größtes Geberland muss hier klare Konsequenzen ziehen“
Daniela Ludwig MdB, Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für jüdisches Leben in Deutschland und für die Beziehungen zum Staat Israel: „Die Ereignisse des 7. Oktober sind nicht nur geopolitisch spürbar, sondern beeinflussen auch das gesellschaftliche Klima in Europa. Dies ist leider insbesondere für die jüdischen Gemeinden der Fall. Die Umfrage zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der europäischen Abgeordneten fordert, dass mehr Anstrengungen unternommen werden müssen, um jüdisches Leben in Europa zu schützen. Besonders in Deutschland erkennen Parlamentarier das Problem des Israel-bezogenen Antisemitismus, der in den letzten drei Jahren erheblich zugenommen hat und durch Bildung sowie weiteren Kontakt und Zusammenarbeit mit Israel gezielt angegangen werden muss.“
Philip Krämer MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags und grüner Berichterstatter für die Sicherheitslage in Israel: „Die Zeitenwende, die durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine eingeleitet wurde, bedeutet für europäische Abgeordnete die Notwendigkeit, die Sicherheitsarchitektur Europas zu stärken. Dieses Gefühl ist nach dem Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober durch die Hamas und das expandierende Hisbollah-Iran-Russland-Bündnis nur noch stärker geworden. Eine verstärkte Partnerschaft der NATO mit Israel scheint für deutsche und europäische Abgeordnete ein vielversprechender Weg zu sein, Europas globale Position und Sicherheit zu stärken. Laut dem Israel Survey wird auch die Nutzung der Abraham-Abkommen zur Weiterentwicklung einer Sicherheitsarchitektur in der Region als vorteilhaft angesehen.“
Akademischer Partner des Israel Survey 2024 ist die Bar-Ilan-Universität (Israel). Zudem beteiligten sich die Konrad-Adenauer-Stiftung (Griechenland und Zypern), das Royal Elcano Institute (Spanien), die Ireland Israel Alliance, die Organisation Med Israel for fred (Norwegen), das Foreign Policy Institute (Türkei) sowie das New Strategy Center (Rumänien).
Zur vollständigen europäischen Auswertung in englischer Sprache geht es hier.