Am 30. November fand das nunmehr neunte Deutsch-Israelische Strategische Forum statt. Ausgerichtet wurde das virtuelle Gesprächsformat von ELNET Deutschland, dem Forum of Strategic Dialogue, der Bundesakademie für Sicherheitspolitik sowie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Wie jedes Jahr unterlagen die Diskussionen dabei der Chatham House Rule. Jedoch können die erarbeiteten Handlungsempfehlungen sowie weitere Hintergrundsinformationen in der Publikation zur Veranstaltung nachgelesen werden.
Auf zwei Panels fand unter Beteiligung von Abgeordneten, Staatssekretären, stellvertretenden Ministern und weiteren Experten beider Staaten ein reger Austausch zu den beiden Themen „Innovation in defense and security“ und „Europe’s role in addressing the Iranian challenge“ statt.
Im ersten Teil des Forums waren sich alle Beteiligten über die große Bedeutung von technologischer und wissenschaftlicher Forschungsarbeit für die Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts einig. Technologie und Innovation, so hieß es, habe heute eine Relevanz in der Sicherheitspolitik, die mit dem Stellenwert von geostrategischen Gegebenheiten im 20. Jahrhundert vergleichbar sei. Von deutscher Seite wurde betont, wie wichtig technologischer Austausch und Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern aufgrund des hohen Niveaus der israelischen Expertise in diesem Bereich sei. Dieser vielseitige Wissensschatz habe auch Deutschland in vielerlei Hinsicht genützt, z.B. auch durch die Beschaffung der Heron-Drohnen. Andererseits könne Israel auch von der Kooperation mit Deutschland profitieren. Bei der militärischen Aufklärung sei Deutschland weltweit führend. Als potentielle Bereiche für weitere Zusammenarbeit wurden neben unbemannten Objekten auch der Weltraum genannt.
Von mehreren Seiten wurde die israelische Kultur der Offenheit als wichtiger Innovationsfaktor betont. Innerhalb des Militärs gebe es ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit. Auch im zivilen Bereich werde Initiative ermöglicht. Dazu komme eine Bedrohungswahrnehmung, die mit Deutschland nicht zu vergleichen sei. Diese sei wiederum innovationsfördernd.
Israelische Teilnehmer stellten dazu heraus, dass die Militärdoktrinen der beiden Länder sich mittlerweile sehr ähnelten. Israel verfüge heute über eine sehr viel defensivere Sicherheitsstrategie, die Einfluss auf eine ebenfalls defensivere Ausrüstungspolitik habe, sodass der Spielraum für Kooperation mit einem defensiv orientierten Land wie Deutschland heute sehr groß sei.
Auch im zweiten Teil des Forums, das sich mit der sicherheitspolitischen Bedrohung durch den Iran für Europa und den Nahen Osten beschäftigte, kamen die unterschiedlichen Bedrohungswahrnehmungen Israels und Deutschlands zur Sprache.
Von deutscher Seite wurde das JCPOA dabei als ein Schritt hin zu mehr Sicherheit im Nahen Osten bezeichnet. So sei die Weiterverbreitung von Nuklearwaffen und ein größerer Konflikt in der Region vermieden worden. Es gebe durchaus erfreuliche Entwicklungen in der Region. Vom Normalisierungsprozess zwischen Israel und Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten gingen sehr positive Impulse aus. Auch sei es beim Sicherheitsforum in Manama der letzten Woche bemerkenswert gewesen, unter welch normalen Umständen die israelische Delegation teilnehmen konnte.
Teilweise äußerten sich deutsche Teilnehmer jedoch verhaltener hinsichtlich des Umganges mit dem Iran. Hier hieß es, eine „Appeasement“-Strategie gegenüber dem Iran dürfe es nicht geben. Ein anderer Teilnehmer äußerte Skepsis, dass der Iran heute wirklich verhandlungsbereit sei. Außerdem müsse ein Weg gefunden werden, Israel in die Verhandlungen einzubeziehen.
Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Zeit auf der Seite des Irans stehe. Je mehr Zeit vergehe, desto einflussreicher werde das Land im Nahen Osten. Diese Befürchtung wurde mehrmals im Hinblick auf die regionale Machtausbreitung und Proxystrategie des Iran geäußert. Andererseits wurden die irakischen Parlamentswahlen im Oktober 2021 und der Sieg der Sadristen als problematisch für die iranische Einflussnahme auf den Irak gedeutet.
Insbesondere israelische Sprecher brachten jedoch an, dass sich die Situation sowohl gegenüber 2015 als auch gegenüber dem Anfang dieses Jahres grundlegend verschlechtert habe. Mittlerweile bestünden große Zweifel über den Sinn und Zweck der Verhandlungen.
So traten unterschiedliche Sichtweisen unter den Entscheidungsträgern der beiden Staaten zu Tage, die insbesondere auch bei der Beurteilung von Alternativen zum Atomabkommen deutlich wurden. Von deutscher Seite wurde der Mangel an solchen Alternativen erneut zur Sprache gebracht, während israelische Teilnehmer sich als letztes Mittel auch militärische Vorgehensweisen vorstellen konnten.
Jedoch betonten israelische Teilnehmer, dass man prinzipiell offen für Verhandlungen sei. Ein Abkommen müsse jedoch anders ausgestaltet werden, um das Problem der nuklearen Aufrüstung des Iran auch langfristig zu beheben. Die Verfallsklauseln und unzureichende Kontrollregelungen des bestehenden Abkommens seien hochgradig problematisch.
Wie im letzten Jahr stellte das Forum mit seinen Diskussionen einen Höhepunkt im Austausch zwischen den beiden Ländern dar. Für das kommende Jahr steht das 10. Deutsch-Israelische Strategische Forum – diesmal in Israel – an, so dass nach zwei Dialogen im virtuellen Format der persönliche Austausch (hoffentlich) wieder in Präsenz möglich sein wird.