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EU-Israel Beziehungen im Vorfeld der fünften Knessetwahl

Der Fokus der öffentlichen Debatte zu Israel liegt in der Regel auf den bilateralen deutsch-israelischen Beziehungen. Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Israel wird zumeist getrennt davon bewertet. Dabei stellt die EU für Deutschland außenpolitisch den Handlungsrahmen dar und die Politik gegenüber Israel ist fundamental an die EU gebunden. Gleichzeitig sprechen sich deutsche Entscheidungsträger stets für stärkere Integration und weniger nationale Alleingänge aus.

Quelle: Mitvim

Doch auch in israelischer Wahrnehmung scheinen die Beziehungen zu Deutschland und der EU voneinander entkoppelt zu sein. Das zeigt sich mit Blick auf Befragungen der israelischen Bevölkerung. Derzeit haben 63 Prozent der Israelis eine „sehr gute/ziemlich gute“ Meinung über Deutschland. Der historische Vergleich zeigt, dass diese Zahl mit der Zeit gewachsen ist. Die EU kommt dagegen deutlich schlechter weg. Sie wird gegenwärtig von 40 Prozent der Israelis eher als Gegner Israels wahrgenommen. Ganze 50 Prozent sind gegen die Teilnahme Israels an EU-Programmen, die zwischen dem israelischen Kernland und den Siedlungen im Westjordanland differenzieren, was ein Grundelement der europäischen Israelpolitik darstellt. Auch sind Israelis mehr daran interessiert, die Beziehungen zu arabischen Staaten zu verbessern als zur EU.

Dennoch kann seit dem Zustandekommen der israelischen „Regierung des Wandels“ im Sommer 2021 eine erneute politische Annäherung zwischen Israel und der EU beobachtet werden. Während die EU der wichtigste israelische Handelspartner ist, war der politische Austausch zuvor für Jahre ausgesetzt gewesen. Die erneute Annäherung äußerte sich in einer Reihe hochrangiger gegenseitiger Besuche, wie der Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberta Metsola im Mai 2022 und der Präsidentin der Kommission Ursula von der Leyen im Juni 2022 in Israel. Außerdem nahm Yair Lapid, in seiner damaligen Rolle als israelischer Außenminister und alternierender Premierminister, beim Außenministertreffen der EU im Juli 2021 in Brüssel teil. Das verbesserte Verhältnis wurde unter anderem durch die Unterzeichnung eines Abkommens über Gaslieferung zwischen der EU, Israel und Ägypten bekräftigt. 

Ein zentraler Schritt zur Neubelebung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Israel ist zudem der EU-Israel-Assoziationssrat, welcher am 3. Oktober 2022 zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder tagte. In der Eröffnungsrede sprach der israelische Premierminister Yair Lapid darüber, dass die Verbesserung der Beziehungen mit der EU seit seinem Amtsantritt als Außenminister im Sommer 2021 zu seinen wichtigsten außenpolitischen Zielen gehört. 

Lapid ist ein Politiker, der als besonders EU-freundlich gilt. Seine Politik stellt eine außenpolitische Richtungsänderung dar, die mit einer möglichen Wiederwahl von Benjamin Netanjahu als Premierminister umgekehrt werden könnte. Am 1. November stehen in Israel die fünften Wahlen seit 2019 an. Der Kandidat des rechten Lagers Benjamin Netanjahu beförderte in seiner Zeit als Premierminister die bestehenden Spaltungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Die Annäherung des letzten Jahres kann als Unterstützung der EU für die Kandidatur Yair Lapids und die „Regierung des Wandels“ verstanden werden, die sich als das Anti-Bibi-Lager konstituierte. Zudem beruft sich Lapid auf gemeinsame liberale Werte und bekennt sich zur Zweistaatenlösung, wie zuletzt vor der UN-Generalversammlung im September 2022.

Doch auch wenn die Rhetorik Lapids das politische Klima mit der EU positiv beeinflusst hat, bleiben die Kritikpunkte der EU gegenüber dem israelischen Vorgehen im israelisch-palästinensischen Konflikt bestehen. In einem Positionspapier, welches zum Treffen des Assoziierungsrat veröffentlicht wurde, bekräftigt die EU einmal mehr die eigenen Parameter im Friedensprozess, äußert Erwartungen an Israel und verweist mit Nachdruck auf die derzeit angespannte Lage im Westjordanland.

Zu regelmäßigen Kämpfen vor allem in Nablus sowie im Flüchtlingslager Jenin, die immer wieder zivile Opfer fordern, kamen Ausschreitungen in Ostjerusalem hinzu. Ostjerusalem unterliegt zwar der israelischen Kontrolle, ist aber in Teilen ein Zusammenschluss palästinensischer Dörfer, die durch jahrelange Vernachlässigung mittlerweile unübersichtliche Strukturen aufweisen. Während die gewaltsamen Vorfälle in den letzten Jahren als Attacken von Einzeltätern eingestuft wurden, geht derzeitige Gewalt vermehrt von lokal verankerten organisierten Terrorgruppen aus. Hinzu kommen die zunehmenden Angriffe durch israelische Siedler.

Außer der Kritik finden sich in dem Positionspapier aber auch zahlreiche Schritte in Richtung Israels. Dazu gehört beispielsweise die Befürwortung der IHRA Definition von Antisemitismus und die Ermutigung zu deren weiteren Adoption. Die Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel soll in mehreren hochkarätigen Formaten und in vielfältigen Bereichen, wie in Wissenschaft, Innovation und Medizin gestärkt werden. Außerdem begrüßt die EU ausdrücklich die voranschreitende Normalisierung Israels mit den arabischen Staaten und prüft nach anfänglichem Zögern die Möglichkeiten zur Kooperation. Das Abraham-Abkommen, Verträge zwischen Israel und mittlerweile vier arabischen Staaten, werden mittlerweile als eine Chance für die Region erkannt.

Wie sich die Beziehungen zwischen Israel und der EU nach der Wahl entwickeln werden, bleibt abzuwarten. In den letzten Monaten haben beide Seiten signalisiert, dass sie grundsätzlich zu mehr Zusammenarbeit bereit sind. Dafür sprechen sich auch deutsche Abgeordnete aus. Inwiefern dies nach der Wahl der Fall sein wird, hängt vom Ergebnis ab. Denn einerseits bleiben die Grundlagen der europäischen Israelpolitik unverändert und andererseits hängt das israelische Interesse an der EU derzeit auch stark von der Person Yair Lapid ab. Im Gegensatz zu ihm stehen viele Politiker und große Teile der Bevölkerung der EU kritisch gegenüber.

Die schon heute bestehende Diskrepanz in der Wahrnehmung der Israelis zwischen Deutschland und der EU ist eine Herausforderung, die noch größer werden kann. Deutschland stellt innerhalb der EU bereits jetzt einen Akteur dar, der zwischen konvergierenden Positionen zu Israel vermitteln und unterschiedliche Erwartungen ausbalancieren muss. Die Rolle Deutschlands wäre in Zeiten einer möglichen erneuten Entfremdung zwischen Israel und der EU besonders wichtig.

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