European Leadership Network (ELNET)

Deutschland als Bündnispartner aufwerten

Israel und die USA haben dem Verkauf des Raketenabwehrsystems „Arrow 3“ an Deutschland zugestimmt. Dieses könnte Fähigkeitslücken in der deutschen Luftverteidigung beheben und in den Defensivplanungen der NATO eine entscheidende Rolle spielen.  

Nachdem vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass Deutschland Interesse am israelischen Raketenabwehrsystem „Arrow 3“ gezeigt hat, scheint eine mögliche Anschaffung durch die Bundesregierung Kontur anzunehmen. Israel und die USA, welche Israel bei der Entwicklung des Systems unterstützten, haben ihre grundsätzliche Zustimmung zum Verkauf des Systems ausgedrückt. Es wäre der erste Verkauf von Arrow 3 an ein anderes Land.

Im Rahmen der von ELNET Deutschland durchgeführten Delegationsreise nach Israel konnten sich die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags Ende März diesen Jahres mit Arrow und anderen wehrtechnischen Systemen vertraut machen.

ELNET auf Delegationsreise mit Mitgliedern des Verteidigungsausschusses (2022)

Das mobile Abwehrsystem Arrow wurde zum Abfangen feindlichen Raketenbeschusses entwickelt. Es besteht aus drei Teilen: einem bodengebundenen Radar, einem Kontrollsystem und den Raketenabschussrampen. Das Radarsystem kann den Start gegnerischer Raketen in mehreren hundert Kilometern Entfernung erkennen, woraufhin das Kontrollzentrum den Start von Abfangraketen einleitet. Mit einer Flugweite von bis zu 2.400 Kilometern und einer Flughöhe von bis zu 100 Kilometern nähern sich diese der feindlichen Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit und zerstören sie durch einen direkten Aufprall („hit-to-kill“). Sollte das Ziel knapp verfehlt werden, verfügt die Rakete über einen Splittersprengkopf mit Näherungszünder, um das Ziel zu zerstören. 

Die enorme Reichweite der Arrow erlaubt dabei auch eine Zerstörung anfliegender ballistischer Raketen in der Stratosphäre, der zweiten Schicht der Erdatmosphäre. Durch die Fähigkeit, feindlichen Beschuss in dieser Höhe abzufangen, soll sichergestellt werden, dass Raketen mit nuklearen, chemischen oder biologischen Waffenköpfen keine schädliche Streuung Sprengkopfes über dem eigentlichen Zielgebiet erreichen. Schnelligkeit und Reichweite von Arrow 3haben dabei einen weiteren Vorteil. Je früher eine feindliche Rakete abgefangen werden kann, desto mehr Zeit bleibt für einen weiteren Versuch, sollte die erste Abfangrakete ihr Ziel verfehlen.   

Für Deutschland und die NATO wäre das System ein enormer strategischer Gewinn. Gerade in Deutschland wird die Anschaffung einer schlagkräftigeren Abwehr gegen russische Mittelstreckenraketen bereits seit Jahren diskutiert. Das aktuell von der Bundeswehr eingesetzte Flugabwehrraketensystem Patriot verfügt nur über eine Abfangreichweite von knapp 68km, und ist damit lediglich für kurze Distanzen geeignet. 

Im Bündnis zerbricht man sich schon seit geraumer Zeit den Kopf über das Bedrohungspotenzial russischer Mittelstreckenraketen. Bereits 2008 begann Russland im Geheimen eine neue Mittelstreckenrakete, die SSC-8 (russische Kennung: Novator 9M729) zu testen. Mit einer Reichweite von bis zu 2.500km kann sie nahezu jedes Ziel in den meisten europäischen Staaten mit geringer bis keiner Vorwarnzeit erreichen. Damit verstieße Russland klar gegen den INF-Vertrag, der bis dato einen zentralen Bestandteil der europäischen Sicherheitsarchitektur bildete. Nachdem die seit 2014 laufenden Gespräche der USA mit Russland auf vorgetäuschtes Unwissen und taube Ohren stießen, zogen die USA 2019 die Konsequenzen und kündigten den INF-Vertrag auf.

Das Verteidigungskonzept der NATO wird vor diesem Hintergrund vor ein enormes Problem gestellt. Bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine fürchteten Experten, dass Russland einen schnellen Einmarsch ins Baltikum durch eine Drohung mit nuklear bestückten Mittelstreckenraketen absichern könne, um die Allianz von einer militärischen Reaktion auf den Einmarsch abzuschrecken. Diese Befürchtungen haben durch den russischen Angriffskrieg und die verhohlenen Drohungen Putins mit einem Einsatz nuklearer Waffen eine ganz neue Dringlichkeit erhalten. 

Die Diskussionen zur Aufstellung einer fähigen gemeinsamen Luftabwehr werden deshalb in den nächsten Monaten und Jahren eine zentrale Rolle im NATO-Bündnis einnehmen. Dabei wird sich auch ein Blick darauf richten, welche Fähigkeiten Deutschland in der Luftverteidigung aufbringen kann. Mit der Anschaffung von Arrow 3 könnte Deutschland nicht nur die dringend benötigte Modernisierung der deutschen Luftabwehr voranbringen, sondern auch wichtige Fähigkeiten in die NATO einbringen. Mit Israel haben Deutschland und Europa dabei einen wichtigen Partner an seiner Seite. 

Die mobile Version verlassen