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Ampelkoalition: Die deutsch-israelischen Beziehungen im Wandel

Von Carsten Ovens

Der Koalitionsvertrag steht. Zukünftig wollen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP gemeinsam als sogenannte Ampelkoalition regieren. Auf 177 Seiten werden die politischen Rahmenbedingungen festgehalten. Die Ressorts sind verteilt, die dazugehörigen Personalentscheidungen sollen in den kommenden Tagen abgeschlossen werden.

Mit dem Regierungswechsel endet auch eine Ära. In den vergangenen 16 Jahren unter Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel haben vier verschiedene Regierungen die deutsch-israelischen Beziehungen geprägt und zu einer festen Freundschaft weiterentwickelt.

Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson 

Vor diesem Hintergrund sind die Erwartungen an die neue Koalition nicht nur in Israel hoch. Bereits in einem ersten Sondierungspapier zeigte die Ampelkoalition auf, dass ihr dies durchaus bewusst ist und bekräftigte, dass die Sicherheit Israels auch für sie Staatsräson sei. Diese Aussage findet sich nun ebenso im Koalitionsvertrag. Gleichzeitig werden „dieanhaltende Bedrohung des Staates Israel und den Terror gegen seine Bevölkerung“ verurteilt und „die begonnene Normalisierung von Beziehungen zwischen weiteren arabischen Staaten und Israel“ begrüßt. 

Ein wichtiges Signal ist ebenso die klare Aussage der Koalitionäre, sich „gegen Versuche antisemitisch motivierter Verurteilungen Israels, auch in den Vereinten Nationen“ stark machen zu wollen. Daher überrascht es, dass die Koalition im Hinblick auf das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), bekannt für seine gegen Israel gerichteten Bildungsinhalte, zwar einen „unabhängigen Monitoringprozess“ unterstützen will, gleichwohl aber weiter volle finanzielle Unterstützung zusichert. Auch wäre es wegweisend gewesen, die Einstufung von BDS als antisemitisch zu bekräftigen, die der Bundestag in der vergangenen Legislatur vorgenommen hat. 

In Kontinuität mit vorherigen Bundesregierungen nimmt der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern ebenfalls Raum im Koalitionsvertrag ein. Dabei wird klar benannt, dass von der palästinensischen Seite „Fortschritte bei Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten“ erwartet werden, ebenso wie der „Verzicht auf jede Form von Gewalt gegen Israel“. Kritisch wird derweil der Siedlungsbau als mögliche „einseitige Schritte“ betrachtet, welche die Friedensbemühungen erschwere.

Der Koalitionsvertrag lässt die klare Benennung des Existenzrechts Israels als Pfeiler der deutschen Außenpolitik vermissen, wie es noch in der vergangenen Legislatur zu lesen war. Die massiven Raketenangriffe der Hamas auf israelische Städte haben im Frühjahr dieses Jahrs jedoch zuletzt mit großer Deutlichkeit aufgezeigt, dass sich die internationale Staatengemeinschaft solidarisch mit Israel stellen muss. Deutschland tut gut daran, hierbei eine führende Rolle einzunehmen. 

Von herausgehobener Bedeutung für die Sicherheit Israels ist außerdem der zügige Abschluss der internationalen Nuklearverhandlungen mit dem Iran (JCPoA). Nach dem Willen der Ampelkoalition muss das Regime Teheran zur „vollständigen und dauerhaften Einhaltung seiner Verpflichtungen gegenüber der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zurückkehren“. Bemerkenswert ist, dass auch bezüglich der weiteren, Iran betreffenden Themen sehr klare Worte gefunden werden. So werden die prekäre Menschenrechtslage angeprangert und die Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert. Das Raketenprogramm, die aggressive Regionalpolitik und Aufrüstung sowie die Unterstützung terroristischer Aktivitäten durch den Iran werden als massive Gefahr für Frieden und Sicherheit benannt. 

Jüdisches Leben

Die Ampelkoalition bekennt sich klar zur Förderung jüdischen Lebens sowie der Bekämpfung jeder Form von Antisemitismus. Dabei wird die Definition der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken (IHRA) gestärkt, wie es der Bundestag in der vergangenen Legislatur beschlossen hatte. An dieser Stelle hätte die Einführung einer verbindlichen IHRA-Klausel für Empfänger öffentlicher Fördergelder als ein mögliches Ziel benannt werden können. Antisemitische Vorfälle sollen zukünftig entschlossener verfolgt und dokumentiert werden, zudem soll die „Holocaust Education“ dauerhaft gefördert werden. Grundsätzlich strebt die Koalition auch an, das Amt des Antisemitismus-Beauftragten strukturell zu stärken, wobei offenbleibt, wie dies geschehen soll. Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte beispielsweise angeregt, die Stelle zukünftig im Kanzleramt anzusiedeln

Perspektiven der deutsch-israelischen Beziehungen

Wenngleich die oben genannten Themen von grundsätzlicher Bedeutung für Israel und damit auch wichtig für die deutsch-israelischen Beziehungen sind, so bleibt der Koalitionsvertrag dennoch an vielen Stellen wage, was die mögliche Umsetzung angeht. Als ein Projekt wird immerhin der Aufbau eines deutsch-israelischen Jugendwerks benannt, wenngleich dies bereits seit 2018 beschlossen ist. Weitere konkrete Initiativen fehlen. Hier hätte es sich angeboten, die seit Jahren zunehmende Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation zu thematisieren. Dazu zählen auch bislang von der Bundesregierung geförderte Projekte, wie das German Israeli Network of Startups & Mittelstand (GINSUM) oder das German Israel Health Forum for Artificial Intelligence (GIHF-AI). Ebenso hätten bestehende Projekte im Bereich der Verteidigung, des deutsch-israelischen Cyberdialogs aber auch bei perspektivisch innovativen Land-, Wasserwirtschaft und Klimatechnologien als Themen benannt werden können. 

Die weitere Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen wird davon abhängen, wie der Koalitionsvertrag gelebt wird und welche bilateralen Projekte in den kommenden Jahren auf- und ausgebaut werden. Dazu empfiehlt es sich unbedingt, die seit 2018 brachliegenden Regierungskonsultationen im kommenden Jahr wieder aufzunehmen. ELNET wird Anfang 2022 zudem eine Neuauflage der Publikation „Perspektive Israel“ veröffentlichen, um so weitere Impulse für die Zukunft dieser besonderen Freundschaft zu geben.  

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