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10. Deutsch-Israelisches Strategisches Forum

Im November 2022 fand das 10. Deutsch-Israelische Strategische Forum statt. Auf Einladung des European Leadership Network (ELNET), des Forum of Stategic Dialogue (FSD) und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) versammelten sich über 30 hochrangige politische Entscheidungsträger und Experten aus Deutschland und Israel in Herzliya in Israel. Erstmals war der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) als zusätzlicher Partner an Bord. 

Im Fokus standen die deutsch-israelischen Beziehungen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, neue regionale Allianzen im Nahen Osten, die sich durch das Abraham-Abkommen ergeben haben, Iran und seine Proxies, sowie Innovation und Verteidigung. Das Forum findet stets in vertraulicher Atmosphäre unter Beachtung der Chatham-House-Regeln statt und ermöglichte so eine offene Diskussion über Gemeinsamkeiten, während auch kritische Fragen erörtert werden können. 

Die Ausgangslage der Diskussion war die grundsätzliche Übereinstimmung darüber, dass die sogenannte „Zeitenwende“ einen Wandel im strategischen Denken Deutschlands markiert. Damit geht die Einsicht einher, mehr in Verteidigung investieren zu müssen, Abhängigkeiten zu reduzieren und sich letztendlich zu einer verlässlichen Stütze der europäischen Sicherheitsarchitektur zu entwickeln. Dabei äußerten sich einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer skeptisch darüber, dass die jahrzehntelange antimilitaristische Haltung in Deutschland so kurzfristig überwunden werden könne. Zusätzlich sehen sie die wirtschaftlichen Einbußen und die Energieknappheit der kommenden Monate als eine schwere Prüfung, welche auf die deutsche Regierung zukommen wird. Gleichzeitig gibt es unterschiedliche Meinungen in der deutschen Gesellschaft und Politik über den Umgang mit Russland. Während die einen die Notwendigkeit eines vollständigen russischen Rückzugs aus der Ukraine betonen, zeigen sich andere kompromissbereiter gegenüber Putin.

Der russische Einmarsch in die Ukraine verändert auch das deutsch-israelische Verhältnis. Infolge der neuen Prioritäten zeichnen sich die bilateralen Beziehungen immer weniger  durch die historische Abhängigkeit Israels von der wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung aus. Stattdessen werden sie zunehmend von Gegenseitigkeit geprägt. Deutschland braucht nun Militärtechnologie aus Israel. Von besonderer Bedeutung ist der mögliche Erwerb des israelischen Raketenabfangsystems Arrow 3, mit dem nicht nur Deutschland, sondern auch der Luftraum der europäischen Verbündeten geschützt werden könnte.

Nichtsdestotrotz bleibt die Frage nach der zukünftigen Entwicklung der Beziehungen bestehen. Die Diskutanten erwarten, dass sich die Differenzen über den israelisch-palästinensischen Konflikt unter der neuen israelischen Regierung noch verschärfen könnten. Auch die sich ändernde Einstellung zur historischen Verantwortung innerhalb der deutschen Bevölkerung gibt Anlass zur Sorge. Förderung von Austauschprojekten, welche die Begegnung zwischen Deutschen und Israelis intensivieren könnten, sollte daher verstärkt werden. Durch die israelische Neutralität im russischen Krieg in der Ukraine, stellt sich für mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusätzlich die Frage nach der westlichen Ausrichtung Israels und der Einhaltung „gemeinsamer Werte“.

Mit dem Abraham-Abkommen ergeben sich für Israel neue regionale Allianzen. Nach Meinung der Teilnehmenden könnte sich Israel zur weiteren regionalen Normalisierung an der strategischen Kultur der europäischen Integration orientieren. Neben der Aufnahme der Beziehungen mit den Vereinten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Sudan, hat das Abraham-Abkommen zur Vertiefung der bereits bestehenden Beziehungen mit Ägypten und Jordanien geführt. Diese positive Entwicklung könnte ebenfalls durch die Politik der neuen israelischen Koalition beeinträchtigt werden. 

Auch für Deutschland und Europa eröffnet der Ausbau der arabisch-israelischen Beziehungen neue Möglichkeiten. Dazu gehören weitere Quellen für erneuerbare Energien aus dem Nahen Osten und Infrastruktur für mehr Handel. Dennoch bleibt die Marginalisierung der Palästinenser im Normalisierungsprozess für viele deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein anhaltendes Problem. Im Gegenzug sahen israelische Diskutanten nur wenig Unterstützung des Abraham-Abkommens durch Deutschland und mangelndes Engagement, obwohl dieses auch zum Vorteil der Palästinenser eingesetzt werden könnte. 

Hinsichtlich der Bedrohung aus dem Iran waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Israel und Deutschland gleichermaßen einig, dass der iranische Erwerb von Atomwaffen verhindert werden solle. Dies bliebe ein klares, gemeinsames Ziel. Israelische Experten bestanden darauf, dass eine militärische Option mitgedacht werden müsse, während sich deutsche Diskutanten für mehr Druck auf das Regime durch verstärkte Sanktionen aussprachen. Wichtig ist, dass das politische Vakuum zugunsten einer gemeinsamen Agenda in Bezug auf wirtschaftliche sowie militärische Instrumente überwunden wird. Besorgniserregend für alle ist der derzeitige Umgang des Regimes mit den Protesten.

Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw), der erstmals als Kooperationspartner des Strategischen Forums mitwirkte, steuerte bereits im Vorfeld einen Meinungsartikel bei. Darin erläutert der Leiter des Hubs Sven Weizenegger die Notwendigkeit der Digitalisierung im Verteidigungssektor am Beispiel Israels. Im Nachgang der Veranstaltung veröffentlichten die beiden teilnehmenden rheinland-pfälzischen Abgeordneten Dr. Joe Weingarten (SPD) und Ellen Demuth (CDU) eine gemeinsame Pressemitteilung, mit welcher sie zur verstärkten Zusammenarbeit mit Israel aufriefen.

Das Deutsch-Israelische Strategische Forum findet im Wechsel in Deutschland und Israel statt. Die Ausrichtung des 11. Forums ist für Ende 2023 in Berlin vorgesehen. 


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