Umgang mit Antisemitismus in Deutschland: Zeit zu Handeln

Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland steigt. Im vergangenen Jahr nahm die Zahl der antisemitischen Verbrechen in Deutschland um knapp 20 % im Vergleich zum Vorjahr zu. Insgesamt 1.799 antisemitisch motivierte Straftaten wurden im Polizeibericht zu „Politisch Motivierter Kriminalität“ (PMK) im Jahr 2018 erfasst.

In der Beobachtung antisemitischer Vorfälle in Deutschland zeichnet sich somit eine extrem besorgniserregende Entwicklung ab. Die Zahlen des Polizeiberichts zu „Politisch Motivierter Kriminalität“ werden in weiteren Untersuchungen bestätigt: so verzeichnet beispielsweise die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin (RIAS Berlin) in der Dokumentation von antisemitischen Vorkommnissen allein in der deutschen Hauptstadt einen Anstieg um 14% für das Jahr 2018. Auch aktuelle Umfragen in der Berliner Bevölkerung zur Verbreitung antisemitischer Vorurteile, sowie eine Erhebung zum Sicherheitsgefühl unter Brandenburgern jüdischen Glaubens belegen, dass Antisemitismus in Deutschland im Jahr 2019 nicht mehr nur eine gefühlt Bedrohung darstellt.

Angesichts dieser erschreckenden Entwicklungen gilt festzuhalten, dass die überwiegende Anzahl der antisemitisch motivierten Straftaten nach wie vor dem rechten, bzw. rechtsextremen Milieu zugeordnet werden können (89,1 %, laut Polizeibericht PMK). Antisemitische Vorurteile der breiten Bevölkerung manifestieren sich heute vor allem in Form von israelbezogenem Antisemitismus. Dies zeigt sich exemplarisch im „Berlin-Monitor“, einer aktuelle Umfrage in der Berliner Bevölkerung. Diese stellt fest, dass 55% der Befragten ohne deutsche Staatsbürgerschaft und 35% der Befragten ohne Migrationshintergrund der Aussage zustimmen, „Israels Politik in Palästina (sei) genauso schlimm“, wie die Politik der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. In der selbigen Umfrage gaben Berliner Juden an, dass sie oftmals im Alltag darum bemüht wären, nicht als Juden erkennbar zu sein.

Resümierend kann festgehalten werden, dass „Berlin ein Ort ist, an dem Diversität gelebt werden kann, aus jüdischer Perspektive jedoch nur in eingeschränktem Maße“. Der Polizeibericht PMK belegt, wie eine Vielzahl weitere Umfragen, dass das Problem des Antisemitismus hierbei wahrlich kein Berlin-spezifisches Problem darstellt.

Angesichts dieser aktuellen Entwicklungen ist es umso wichtiger, dass sich die deutsche Politik willens gezeigt hat zu handeln, auch wenn noch eine Vielzahl an elementaren Schritten gegangen werden muss.

Es ist begrüßenswert, dass sich die Bundesregierung entschlossen hat, die internationale Definition von Antisemitismus der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken (International Holocaust Remembrance Alliance – IHRA) im Kampf gegen Antisemitismus zu übernehmen. Ein weiterer wichtiger Schritt der Bundesregierung ist die Einführung eines bundesweiten zivilgesellschaftlichen Monitorings zu Antisemitismus, sowie die Einrichtung einer bundesweit tätigen Kommission zur Bekämpfung von Antisemitismus.

Von besonderer Wichtigkeit im nachhaltigen Kampf gegen Antisemitismus ist zudem zweierlei. Die Resolution des deutschen Bundestages gegen die antisemitische BDS-Kampagne ist ein entscheidender Schritt dazu, Antisemiten in Deutschland keine Bühne zu bieten und ihre Kampagnen- wie Organisationsfähigkeiten einzuschränken. Weiter ist es wichtig, dass neben der Schaffung des Postens eines Antisemitismusbeauftragten des Bundes, auch die Bundesländer jeweils Antisemitismusbeauftrage berufen. Es ist ein wichtiger Schritt im Umgang mit der steigenden Anzahl antisemitischer Vorfälle entsprechende Beauftragte zu ernennen. Auch Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg wären gut beraten, Länderbeauftragte für den Kampf gegen Antisemitismus zu berufen.

Aktuell sind trotz der ersten politischen Schritte zu viele Mitmenschen jüdischen Glaubens von Vorfällen betroffen, die in Deutschland heute so nicht mehr vorkommen dürfen. Viele Mitglieder jüdischer Gemeinde sorgen sich wieder verstärkt um ihre Sicherheit.

Angesichts dieser Bestandsaufnahme gilt es daher weiter aktiv zu sein. Eine Übersicht möglicher nächster Schritte im Kampf gegen den Antisemitismus hat das AJC Berlin zusammengestellt. ELNET Deutschland unterstützt diesen Maßnahmenkatalog.